Arbeitsminister Martin Kocher und Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sind am Dienstag bemüht gewesen, trotz des herrschenden Lockdowns eine gute Wirtschaftsstimmung zu verbreiten. Sie betonten, dass nun viel davon abhänge, ob die Wirtschaft daran glaube, dass der Stillstand kurz sei und es danach wieder weitergehe - mit dem Weihnachtsgeschäft im Handel und der gefährdeten Wintersaison. "Wir lassen niemanden alleine. Wo es Bedarf gibt, gibt es Hilfen", betonte der ÖVP-Minister.

Freilich kann in einem Lockdown keine Rede von einem normalen Wirtschaften sein. Prognosen sind extrem schwierig, alles hängt davon ab, wie lange und wie intensiv die Einschränkungen sind, sagten Kocher und Felbermayr ebenso. Es herrscht auch das Prinzip Hoffnung: Nämlich darauf, dass aus den vergangenen Lockdowns gelernt wurde - in Form von Anpassungen der Geschäftsmodelle, mehr Click & Collect und Co. Eine Woche Stillstand kostet derzeit etwa 800 Millionen Euro, so Felbermayr. Richtung Weihnachten werde es rund eine Milliarde pro Woche. Sollten weitere Maßnahmen und eine Verlängerung des Stillstands notwendig werden, so gehe es zum Jahresanfang 2022 in Richtung 1,2 Milliarden Euro pro Woche.

Wirtschaft bereits geschrumpft

Dazu kommt, dass sich im produzierenden Gewerbe - Industrie und Bau - aufgrund der Lieferengpässe und Materialmängel zuletzt "leider Gottes sehr kleine, aber doch negative Beiträge zum Wachstum gezeigt haben", so Felbermayr. Die Wirtschaft ist zuletzt also aufgrund des Lockdowns für Ungeimpfte und 2G geschrumpft, und die ansonsten großen Stützen Industrie und Bau haben zur Schrumpfung beigetragen. "Die große Stabilität dieser Sektoren für den Arbeitsmarkt und für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist aktuell nicht mehr so stark."

"Die beste Arbeits- und Konjunkturpolitik besteht darin, das Infektionsgeschehen in den Griff zu kriegen", sagte Felbermayr. "Daher muss jetzt sehr viel geschehen." Das Wifo werde die Wachstumsprognose fürs kommende Jahr demnächst aber absenken. Ein bisher vorhergesehener Fünfer vor dem Komma werde es nicht mehr werden, so der Ökonom. Ein Vierer vor dem Komma könne sich aber ausgehen. Grund dafür ist, dass die Experten mit einem noch schwächeren Jahresstart rechnen als sie es bisher taten. Denn schon in der bisherigen Prognose habe man nicht mit dem stärksten Start ins Jahr 2022 gerechnet.

Bis zu 400.000 Menschen in Kurzarbeit

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) rechnet aufgrund des Corona-Lockdowns mit einem Anstieg der Kurzarbeit auf 350.000 bis 400.000 Personen, welche die Hilfe in Anspruch nehmen werden. "Am Arbeitsmarkt sind saisonale Effekte bemerkbar und das Infektionsgeschehen bremst schon die gute Entwicklung", sagte Kocher am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.

"Die derzeitige Situation spiegelt die Kurzarbeit-Situation noch nicht wider", so Kocher. Derzeit sind 77.989 Personen zur Kurzarbeit angemeldet. Die Kurzarbeit werde "nach derzeitigen Einschätzungen nicht auf 500.000 Anmeldungen steigen, sondern sich etwa in ähnlichem Ausmaß wie im letzten Winter bewegen", sagte der Arbeitsminister.

"Arbeitslosigkeit wie in normalen Jahren"

Derzeit sind laut Arbeitsministerium 277.508 Personen arbeitslos gemeldet, ein Anstieg von 5652 Arbeitslosen im Vergleich zur Vorwoche. Zusätzlich 73.160 Personen befinden sich derzeit in AMS-Schulungen. "Gleichzeitig ist in den nächsten Wochen mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, ähnlich wie in normalen Jahren zu rechnen, die vordergründig auf saisonale Effekte zurückzuführen sind", sagte Kocher. "Der Lockdown wird diesen Trend etwas verstärken, aber die Arbeitslosigkeit wird aller Voraussicht nach klar unter dem Niveau vom Winter 2020/2021 bleiben." Genauere Angaben, wie stark der Lockdown sich auf die Arbeitslosenzahlen auswirken wird, machte Kocher nicht.

"Nicht notwendigerweise 2G"

"Die Krise ist vor allem für vulnerable Personen am Arbeitsmarkt schmerzlich - Junge und Langzeitarbeitslose", bedauerte Felbermayr. Programme für diese Gruppen gehörten ausgebaut. Auf die Frage, wie sich die geplante Impfpflicht auf den Arbeitsmarkt auswirken werde, sagte Kocher, dass jetzt eine breite Diskussion über die konkrete Ausgestaltung notwendig sei. Am Arbeitsplatz müsse "nicht notwendigerweise 2G" herrschen, das sei aber von der Gesamtregelung abhängig, die noch auszuarbeiten sei.

Kein Aussetzen von Sanktionen

Einem gänzliches Aussetzen von AMS-Sanktionen im Lockdown per Weisung, wie von der Arbeiterkammer (AK) gefordert, schloss Kocher aus. Es würden aber "wenige Sanktionen ausgesprochen", schließlich gebe es im Lockdown auch eingeschränkte Leistungen des AMS, etwa weniger Termine. Grundsätzlich gebe es aber genug Personalbedarf der Unternehmen, auch wenn sich die Konjunktur nun "leicht eingetrübt" habe, "also muss es Vermittlungen geben".

ÖGB: Aufforderung, Personal zu halten

Der ÖGB sieht in der Kurzarbeit das passende Instrument, Arbeitsplätze auch in schwierigen Zeiten zu erhalten. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hat deshalb am Dienstag an die Arbeitgeber appelliert, von diesem staatlich gestützten Modell Gebrauch zu machen und kein Personal abzubauen. "Der vierte Lockdown wird sowohl die Kurzarbeit als auch die Arbeitslosenzahlen wieder in die Höhe treiben", erwartet mit Blick auf die aktuelle Entwicklung am Arbeitsmarkt.

"Die Sozialpartner arbeiten auf Hochtouren gemeinsam mit der Bundesregierung daran, dieses Kriseninstrument, das mehr als 1,3 Millionen Arbeitsplätze gerettet hat, erneut weiterzuentwickeln", teilte der ÖGB-Chef in einer Aussendung mit.

Kurzarbeit sei ein "Win-Win-Modell für alle", strich er hervor. Arbeitsplätze blieben erhalten und Arbeitgeber hätten die Klarheit, dass der Betrieb nach dem Lockdown sofort weitergehen könne.

Zusätzlich plädierte Katzian dafür, dass bereits Arbeitslose weiterhin erhöhtes Arbeitslosengeld bekommen. "Für alle, die die Kurzarbeit nicht nutzen können oder aktuell keinen Job finden, fordern wir weiterhin die Erhöhung des Arbeitslosengelds von aktuell 55 auf 70 Prozent des letzten Nettoentgelts", erinnerte er an diese zentrale Forderung des ÖGB. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld betrage weniger als 1.000 Euro, was bedeute, dass Arbeitslose unter der Armutsgrenze lebten.

Weniger Wachstum 2022

Aufgrund der aktuellen Pandemie-Entwicklung wird das Wirtschaftswachstum in Österreich laut Wifo-Chef Gabriel Felbermayr im nächsten Jahr 5 Prozent nicht erreichen, sondern im Bereich 4 Prozent liegen. Der aktuelle Corona-Lockdown werde wieder einiges an Wertschöpfung kosten.

Grundsätzlich habe aber erst das heurige Jahr bewiesen, dass es nach den Lockdowns mit der Konjunktur wieder sehr rasch bergaufgehen kann, so Felbermayr. Bei der Wachstumsprognose für heuer werde sich nicht mehr viel ändern aufgrund des momentanen Stillstands. Die 4,4 Prozent könnten bestehen bleiben, wenn der Lockdown nicht noch strenger oder länger werde.