Das Lamento über den Niedergang klassischer Sparformen, allen voran des Sparbuchs, viele Jahrzehnte lang Symbol für das „zur Seite legen“ von Geld, ist nicht neu. Die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank wurden im März 2016 auf null gesenkt – und dort einzementiert. Das Umfeld der Niedrigst-, Null- und Negativzinsen ist Sparerinnen und Sparern also bereits durchaus vertraut. Das gilt auch für den Umstand, dass klassische Sparformen seit Jahren eine negative Realverzinsung aufweisen, also der Zinsertrag abzüglich der Inflation negativ ausfällt. Die Sparlaune hat das dennoch nur bedingt getrübt. Im Vorjahr kam durch die ausgedehnten Lockdowns auch noch hinzu, dass die Gelegenheiten zum Geldausgeben äußerst rar waren. Laut Nationalbank ist daher das Geldvermögen der Österreicher auf den Rekordwert von 799 Milliarden Euro angeschwollen. Und die täglich fälligen Einlagen – aufgrund der Zins- und Inflationskulisse die eigentlich denkbar unattraktivste Art Vermögen zu horten – setzten ihren Rekordlauf noch einmal fort. Allein zwischen Dezember 2019 und Juni 2021 stiegen sie um 16 Prozent auf 200 Milliarden Euro.

Aufholprozess mit Schattenseiten

Ein gewisser Gewöhnungseffekt ist über die Jahre aber auch im Zusammenhang mit der Inflation eingetreten, die über einen Zeitraum von fast zehn Jahren konstant niedrig geblieben ist. Das hat sich seit dem Frühjahr jedoch fundamental geändert. Im September stieg sie laut Statistik Austria auf 3,3 Prozent, der höchste Wert seit November 2011.Und für Oktober werden laut Schnellschätzung sogar 3,6 Prozent erwartet. In Deutschland wurde bereits die Marke von vier Prozent geknackt, in den USA steht sogar schon länger ein Fünfer vor dem Komma.

Zum Tragen kommen auch sogenannte statistische Basiseffekte. Im Vorjahr sorgten die Verwerfungen der Corona-Pandemie in vielen Bereichen für historische Tiefstwerte. Mit dem rasanten Anziehen der Wirtschaft begann ein Aufholprozess mit Schattenseiten, knappes Material, Engpässe bei Rohstoffen und Personal, sprunghafter Anstieg beim Energiebedarf. Das spiegelt sich in den Preisen wider. Doch die Erwartung und Hoffnung, dass sich der Preisauftrieb im Frühjahr gewissermaßen wieder in Luft auflöst, wird dennoch zunehmend unrealistischer.

Schwierige Suche nach einem Ausweg

Damit steigt auch der Druck auf die Zentralbanken. Das volle Not- und Krisenprogramm, also milliardenschwere Anleihenkäufe sowie Null- und Negativzinsen bei hohem Wirtschaftswachstum und steigender Inflation, ist nicht mehr zu rechtfertigen. Doch das Zurückfahren dieser historischen Flut an billigem Geld ist komplex – und ohne historisches Beispiel. Denn parallel dazu haben sich auch die Verschuldungsgrade der Staaten und auch vieler Unternehmen in nie gekannte Höhen nach oben geschraubt. Denn die mehr oder weniger unterschwellige Devise der vergangenen Jahre lautete: Sparen zahlt sich ohnehin nicht aus, Kredite gibt’s zum Nulltarif bzw. im Fall von Ländern wie Österreich sogar mit einem Aufschlag in Form von negativen Anleihenrenditen. Für einige Länder, auch in der Eurozone, könnten steigenden Leitzinsen in der Refinanzierung folgenschwer sein. Das gilt aber wohl auch für so manchen Privathaushalt, der sich ob der niedrigen Zinsen zu teils waghalsigen Immobilienfinanzierungen hat hinreißen lassen. Auch die Finanzmärkte haben sich mit der Zentralbankpolitik der offenen Geldschleusen geradezu verbrüdert. Der Geldpolitik steht nun ein Balanceakt mit ungewissem Ausgang bevor.

Kein Jubeltag, aber pädagogisch wertvoll und wichtig

Umso wichtiger wird es für uns alle sein, einen Urgedanken, eine Art verborgenen – oder zumindest überdeckten – Wert, noch stärker zu verinnerlichen, der einst zur Initiierung des Weltspartags geführt hat.
Beim ersten internationalen Sparkassenkongress in Mailand hat der italienische Professor Filippo Ravizza als einer der zentralen Gründerväter am 31. Oktober 1924 auch das Ziel formuliert, die Bedeutung des Sparens im Bewusstsein zu halten. Es ging also insbesondere auch um den pädagogischen Wert und die Finanzerziehung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ein Anliegen, das aktueller und dringlicher denn je ist. Auch wenn der Weltspartag durch Zinstristesse und Teuerung alles andere als Jubeltag sein mag.