3,3 Milliarden Euro wurden dem IST Austria von Bund und Land Niederösterreich zugesagt. Wie konnten Sie Minister Heinz Fasßmann und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner überzeugen?
THOMAS HENZINGER: Das habe nicht ich, sondern haben unsere Wissenschaftler geschafft. Zweifellos hätten wir diese Zusage für den weiteren Ausbau nicht erhalten, wenn wir nicht in den letzten zwölf Jahren herzeigbare gute Arbeit geleistet hätten. Die Gründung des Institutes 2006 durch die Regierung war ein riskanter und mutiger Schritt. Wir haben aber bewiesen, dass man in  Österreich ein neues Institut mit Exzellenzen von  Weltrang aufbauen kann. Mit unseren derzeit 65 Forschungsgruppen kann man aber nicht dauerhaft weltweit sichtbar und erfolgreich sein. Daher bin ich glücklich, dass die Politik das verstanden hat und uns weiter wachsen lässt.

Von jetzt 65 auf 150 Forschungsgruppen bis 2036, mit jährlich fünf weiteren neue Lehrstühlen. Der Bund stellt 2,46 Milliarden Euro, das Land Niederösterreich 850 Millionen Euro. Ein Investment, doppelt so hoch wie das Leuchtturmprojekt des neuen Infineon-Chipwerkes in Villach.
Das Investment ist von 2026 bis 2036 auf zehn Jahre ausgelegt. Garantiert sind zwei Drittel, ein Drittel ist praktisch Erfolgsprämie. Wir müssen für ein Drittel der Zusage externe Mittel in derselben Höhe erzielen, was unseren Wissenschaftlern bisher gut gelungen ist.

"Exzellenz-Uni"
"Exzellenz-Uni" © Magic Lemur Productions, IST Austria

In Klosterneuburg wird in MINT-Disziplinen auf Weltklasse-Level geforscht. Im Nature-Index landet das IST Austria nach dem Cold Spring  Harbor Laboratory in  New York und dem Weizmann Institut in  Israel auf dem dritten Rang. Wie schaffen Sie das?
Wir sind stolz auf dieses Resultat. Wir sind klein, aber in unseren Forschungsgebieten sind wir absolute Weltspitze. Zum Beispiel wurde am Institut eine nachhaltige Weise entwickelt, Blockchains zu implementieren, die nicht solche Unmengen an Rechnerleistungen und Stromverbrauch erfordern, wie Bitcoin. Oft kann man erst nach Jahren Ergebnisse einschätzen, das ist wie bei Nobelpreisen.

Warum ist  Grundlagenforschung so wichtig für Österreich und seine Wirtschaft?
Grundlagenforschung bringt wirklich neue Technologien oder neue Medikamente oder Impfstoffe, während Industrieforschung die Produkte und Produktion effizienter und billiger macht. Österreich ist nicht sehr reich an Rohstoffen, es kann aber seinen Wohlstand auf kluge Köpfe und neue Ideen bauen. Wir sind nicht gescheiter als andere und profitierten auch von dem, was in Kalifornien oder in Singapur geschieht. Aber es ist wichtig, dass wir im globalen wissenschaftlichen Netzwerk ein gleichrangiger Partner sind. Dann fällt auch genug an Gründungen und lokalen Arbeitsplätzen ab.

In Österreich ist man schon von den Schulverläufen der Jugend her alles andere als technikaffin.
Ich hoffe, dass wir auch dafür ein Vorbild sind und in den Schulen mehr Augenmerk auf die MINT-Fächer gelegt wird. Auch ist es uns ein großes Anliegen, Frauen in den Naturwissenschaften zu fördern.

Was raten Sie dazu der neuen Regierung Schallenberg/Kogler?
Wir brauchen eine wirkliche Bildungsreform. Ich halte es für ein unheimliches Manko in Österreich, dass es noch immer keine strukturierte Informatik-Ausbildung in den Schulen gibt. Da überholt uns inzwischen die gesamte westliche Welt und wir verschlafen das einfach. Es gibt noch Lehrpläne wie vor 100 Jahren - stellen Sie sich heute ein Krankenhaus von vor 100  Jahren vor!

Gerade haben Sie ihr fünftes Laborgebäude - auch als Raum für Kernspinresonanz - eröffnet. Wie wächst Ihr Campus - mit derzeit 850 Mitarbeitern - weiter?
Wir bauen flexibel, denn wenn wir neue Forscher berufen, gehen wir ausschließlich nach dem Exzellenz-Prinzip vor. Pro Jahr haben wir rund 2000 Bewerbungen für unser Institut. Für die fünf, die wir auswählen, ist wissenschaftliche Exzellenz das einzige Kriterium. Wir stellen die Allerbesten der Welt an. Bei den Neurowissenschaften etwa, bei Zell- und Evolutionsbiologie, sowie bei Quanten- und Biophysik haben wir bereits eine gewisse kritische Masse erreicht.

Die Zuschreibung Elite-Universität tragen Sie stolz oder eher österreich-typisch schamhaft?
Auf jeden Fall stolz, wenn Sie Elite als Exzellenz verstehen. In Österreich wird das oft missverstanden. Auch verlangen wir keine hohen Studiengebühren, jeder Doktorand ist ein Mitarbeiter am Institut mit einem ordentlichen Gehalt. Ein wichtiger Schritt ist, dass wir in Zukunft auch Mastergraduierungen anbieten werden können.

Start-ups im IST-Park

Exzellenz soll Anwendung in der Wirtschaft finden. Was leistet dazu Ihr IST-Park, auch mit Start-ups, die ein mit 40 Millionen Euro dotierter Fonds begleitet?
Im Park arbeiten inzwischen elf Firmen, von  etablierten Unternehmen bis zu Start-ups und Spin-offs. Firmen suchen hier auch befristete Mitarbeiter vom Institut. Mit exzellenter, ergebnisoffener Grundlagenforschung macht man Entdeckungen, die wirtschaftlich und gesellschaftlich relevant sind. Mittelmäßige Grundlagenforschung ist hinausgeworfenes Geld.

Die Milliarden-Finanzierung ging durch den Ministerrat, muss aber noch im Parlament beschlossen werden. Bangten Sie?
Ich gehe davon aus, dass es diese Schritte noch durchläuft.

Sie bauten das Institut auf. Zählt das mehr als der EATC- und Wittgenstein-Preis, die Sie - wie übrigens auch Ihre Frau Monika Henzinger - für Ihre wissenschaftlichen Leistungen erhielten?
Es sind beides gute Gefühle. Für mich persönlich zählt dies: Als das Institut vor zwölf Jahren gegründet wurde, war überhaupt nicht klar, wie dieses Abenteuer endet. Viele rieten mir ab. Das Weizmann Institut war unser Vorbild, jetzt sind wir mit an der Spitze und mit unserem BRIDGE-Netzwerk mit den besten der Welt verbunden.

Was raten Sie jungen Menschen zur Bildungslaufbahn?
MINT kann nie falsch sein. Da gibt es so viele interessante Themen und interessante Jobs. In 50 Jahren wird sich noch viel mehr ändern, als in den letzten 50 Jahren. Da spielen die MINT-Fächer die zentrale Rolle. Das wird immer interessant sein.