Mit ihrer harschen Kritik an der Preispolitik der beherrschenden Lebensmittelhändler Spar, Billa und Hofer hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger bei Landwirten und Lebensmittelproduzenten offene Türen eingerannt. Schon länger herrscht Unmut über die Macht der Handelsriesen. "Diese drei Unternehmen vereinen 90 Prozent Marktanteil auf sich", erklärt Hannes Royer - eine Konzentration, wie sie selten ist im internationalen Vergleich. Der Landwirt hat den Verein "Land schafft Leben" gegründet, um Konsumentinnen und Konsumenten die Hintergründe der heimischen Lebensmittelproduktion aufzuzeigen.

"Die drei Händler kämpfen um jeden Prozent Marktanteil", sagt Royer. Um Konsumenten in die Geschäfte zu bekommen, seien Preisaktionen das Mittel der Wahl. "Das ist zwar gut für den Konsumenten, weil er günstige Lebensmittel bekommt. Aber das zerstört die Landwirtschaft." Es gäbe inzwischen kaum noch Betriebe, die nicht von der Substanz leben. Und so würden immer mehr landwirtschaftliche Gründe zu Baugrund.

Sinkende Wertschöpfung

Untermauert wird das durch die Zahlen einer aktuellen Studie des Wirtschaftsforschungsinstitut zur Wertschöpfung in der Landwirtschaft, die von der Landwirtschaftskammer in Auftrag gegeben wurde. Demnach ist der Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfungskette von 20,2 Prozent im Jahr 2005 auf 17,5 Prozent im Jahr 2019 gesunken.

"Es gibt für Bauern keine Index-Anpassung", konkretisiert Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, das Problem. "Wenn die Rohstoffpreise steigen, muss der Landwirt mehr produzieren, damit sein eigenes Gehalt nicht sinkt." Derzeit gehe sich das nicht mehr aus. Die Preise für Futtermittel seien beispielsweise um 20 Prozent gestiegen. Wer gentechnikfrei füttern will, muss einen Aufschlag bezahlen, der viermal so hoch ist wie im Vorjahr.

Bauern geben auf

Die Folgen erläutert Helmut Petschar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter. "Zwischen drei und fünf Prozent der Milchbauern hören jedes Jahr auf." Petschar leitet auch die Molkerei Kärntnermilch, wo man mit zusätzlichen Preissteigerungen konfrontiert ist. "Onlinehändler wie Amazon kaufen im großen Stil Karton, das treibt für uns den Preis nach oben." Auch Joghurtbecher wurden teurer, unter anderem, weil das dafür genutzte Plastik ein Nebenprodukt der Kerosin-Herstellung ist und im Vorjahr coronabedingt weniger Flugzeugtreibstoff hergestellt wurde.

Die Lage sei schon lange katastrophal, erklärt Albert Petschar, Obmann der Kärntner Milchgenossenschaft. Doch nun sind die Preise für Energie, Diesel oder Futtermittel stark gestiegen. 36 Cent zahlt die Kärntnermilch derzeit für einen Kilogramm Milch. "Vor 30 Jahren habe ich 7,5 Schilling bekommen", erklärt der Milchbauer. Förderungen würden den Einkommensverlust nicht wettmachen. Das führe unter anderem dazu, dass Milchbauern versuchen, auf eigene Faust nach Italien zu exportieren. Dort werde ein deutlich höherer Preis gezahlt. 

Landwirtschaft "wird umgebracht"

Das liege auch daran, dass es beim südlichen Nachbarn keine Konzentration im Handel gäbe, erklärt Biobauer Royer. "90 Prozent Marktanteil verteilt sich in Italien auf 80 Lebensmittelhändler, nicht auf drei." Die Situation in Österreich führe dazu, dass die Landwirtschaft bewusst umgebracht werde, sagt Royer. Dabei brauche es nicht viel, wie er am Beispiel Milch aufzeigt. "Wenn der Bauer 10 Cent mehr bekommt, wäre das genug, um davon leben zu können." Für den Konsumenten würde das im Schnitt jährlich sieben bis zehn Euro mehr für Milch- und Käseprodukte bedeuten, pro Jahr.

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Dafür sei es auch nötig, dass die Konsumenten wissen, woher die Produkte kommen, sagt der steirische LK-Präsident Franz Titschenbacher. Vor allem bei den Eigenmarken der Handelsketten sei nicht klar, wo Milch oder Butter ihren Ursprung hätten. "Da kommt die Milch aus Tschechien, wird in Deutschland verarbeitet - und mit einer rot-weiß-roten Fahne auf der Packung wird der Konsument in die Irre geführt", sagt Titschenbacher. Die Landwirtschaftskammer fordert daher die Umsetzung der Herkunftskennzeichnung und der UTP-Richtlinie.

Das Landwirtschaftsministerium verweist darauf, dass beides noch heuer beschlossen werden soll. Bei der UTP-Richtlinie, die vom Wirtschaftsministerium vorgelegt wurde, fehle nur noch die Freigabe des Koalitionspartners. Auch die Kennzeichnung sei fertig und man warte auf die Zustimmung des zuständigen Gesundheitsministeriums.

Was die Handelsriesen zu den Vorwürfen sagen

Die Auseinandersetzung zwischen dem Handel und dem Agrarsektor in Österreich wird schon seit Jahren geführt - einmal mehr, einmal weniger scharf. Ein Fairnessabkommen hat die Wogen offenbar nur oberflächlich geglättet. Die angegriffenen Handelsunternehmen wiesen die Vorwürfe in der Vergangenheit stets zurück, wehrten sich mitunter gegen das "Bashing" - Spar-Sprecherin Nicole Berkmann tut dies auch jetzt mit Vehemenz: "Das ist reines politisches Aufdrehen vor dem Hintergrund anstehender Wahlen (in Oberösterreich, Anm.) und hat absolut nichts mit der tatsächlichen Wirklichkeit zu tun", sagt Berkmann auf Anfrage der Kleinen Zeitung zu Köstingers Vorwürfen.

"Bei Mengenaktionen, die ja immer mit den Herstellern vereinbart sind und in den allermeisten Fällen von ihnen sogar ausdrücklich gewünscht werden, um oft auch Übermengen zu verkaufen, teilen sich Hersteller und Händler die reduzierte Marge", wird Spar-Vorstandschef Fritz Poppmeier von der Austria Presse Agentur zitiert.

Interessant dabei sei, so Berkmann weiter, "dass immer mehr Landwirte zu uns kommen, die sich massiv über ihre politischen Vertreter ärgern und sich von dieser ewig gleichen Haudrauf-Masche nicht mehr vertreten fühlen". Auf diese Weise hätte man schon "tolle neue Partnerschaften" gefunden, "bei denen sowohl die Bauern, als auch wir sehr zufrieden sind".

Indes versucht Billa, die Wogen zu glätten. Das Management der Supermarktkette lädt die Ministerin für 4. Oktober zu "Tischgesprächen" ein, um gemeinsam mit Landwirtschaft, Konsumentenschutz und Kundenvertretern kontroversielle Themen, Vorwürfe und Vorurteile, aber auch Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren.

Die internationale Nachfrage

Ausführlich bezog der Diskonter Hofer Stellung. Ein Auszug im Wortlaut: "Die Konzentration am Markt erfordert ein erhöhtes Maß an Verantwortung den österreichischen Produzenten gegenüber, faire Preise zu bezahlen. Der jeweilige Marktpreis von Artikeln ist dabei allerdings kausal weniger auf den österreichischen LEH (Lebensmitteleinzelhandel, Anm.) zurückzuführen, sondern vielmehr auf die internationale Nachfrage. Wenn sich die internationale Nachfrage nach Rohstoffen in eine positive oder negative Richtung entwickelt, so hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette. Diese vorgelagerten Prozesse finden auf den internationalen Märkten statt und finden ihren Niederschlag dann schlussendlich in den Verkaufspreisen im Handel."

Die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft liege Hofer "seit jeher sehr am Herzen", so das Handelsunternehmen. Limitierte Aktionen (gerade auf Fleisch) gingen "selbstverständlich nicht auf Kosten unserer heimischen Lieferanten und schon gar nicht auf Kosten der Bäuerinnen und Bauern", beteuert Hofer. "Wir übernehmen die Kosten für solche verkaufsfördernden Maßnahmen zu 100 Prozent."