Eigentlich war es ein sehr vielseitiger Auftritt des Arbeitsministers am Sonntagabend in der „Zeit im Bild 2“. Martin Kocher sprach etwa darüber, aus der „Kurzarbeit konjunkturgerecht auszusteigen“, oder über Fachkräftemangel in Gastronomie, Beherbergung und Teilen der Industrie.

Am Tag danach blieb aber ein Sager übrig, wonach Kocher „Vermittlung“ wieder „verbindlicher“ machen wolle. Deswegen gibt der Minister dem Arbeitsmarktservice (AMS) eine „neue Zielvorgabe“, die Vermittlung und deren Verbindlichkeit – „sichergestellt durch Sanktionen“ – in den Fokus rückt.

Das sorgt für Aufwallung in der politischen Landschaft. „Soziale Kälte in Reinkultur“ sieht die FPÖ hinter den Aussagen Kochers, bei der SPÖ ist man der Meinung, die Regierung soll besser „Arbeitsplätze schaffen, statt Arbeitslose zu schikanieren“. Der Verein Aktive Arbeitslose fordert von Kocher selbst wiederum „mehr Verbindlichkeiten bei Grund- und Menschenrechten.“ Erinnert wird, dass Totalsperren des Arbeitslosengeldes „mit Grundrechten unvereinbar sind und eine menschenwürdige Existenz in jedem Fall gesichert werden muss“.

Kocher selbst präzisierte am Montag das Gesagte noch einmal. In Österreich sei die Zahl der offenen Stellen „auf Rekordniveau“. Daher sei es „nur notwendig, noch stärker auf Arbeitsvermittlung zu setzen“. Es werde aber dafür „keine neuen Sanktionen, keine neuen Zumutbarkeitsbestimmungen geben“. Einzig soll nach einer „Zeit des Zurückfahrens aufgrund von Corona“ nun eben wieder mehr „Verbindlichkeit herrschen“.

Tatsächlich fiel die Anzahl der Sanktionen im Vorjahr stark. Was in erster Linie mit der eingeschränkten Vermittlungstätigkeit des AMS und dem prinzipiell geringeren Arbeitskräftebedarf der Betriebe zu tun hatte. Zwischen Mitte März und Mitte Mai etwa sprach das AMS überhaupt keine Strafen aus. Schlussendlich wurden 2020 in Summe etwas mehr als 93.000 Sanktionen verhängt, um 36 Prozent weniger als noch im Jahr davor.

Wann das AMS Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe sperrt? Knapp die Hälfte der Fälle (46 Prozent) machten im Vorjahr „Missbrauchsfälle“ aus. Dazu zählt etwa Arbeitsunwilligkeit sowie Verweigerung oder Vereitelung von Arbeit und Schulung. 24 Prozent der Sanktionen hatten versäumte Kontrolltermine als Ursache, 30 Prozent der Sperren betreffen die „Wartefrist bei Selbstkündigung“. In diesem Fall bekommen Jobsuchende die ersten vier Wochen nach der Selbstkündigung kein Arbeitslosengeld ausbezahlt.

Wie sinnvoll aber sind Sanktionen überhaupt? „Sanktionen muss es geben“, sagt dazu Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte beim IHS. Gleichzeitig sieht er keine Notwendigkeit, bereits geschaffene Möglichkeiten auszubauen. Die Strafen-Palette sei ausreichend. Sofern „man sie auch in Kraft setzen kann“, sagt Hofer mit Blick auf begrenzte AMS-Ressourcen. Die wiederkehrende Debatte um eine Verschärfung von Zumutbarkeitsbestimmungen bewertet Hofer „emotional“ und „ideologisch“. Gleichzeitig würde sie trotz ihrer Omnipräsenz nur einen „kleinen Teil der arbeitslosen Menschen wirklich betreffen“.