Es sind entscheidende Tage für die Zukunft der Landwirtschaft in der Europäischen Union. Sowohl das EU-Parlament als auch der Rat der EU-Mitgliedsstaaten legen sich darauf fest, wie die Zukunft der Agrarförderungen - mit 387 Milliarden Euro der größte Brocken im EU-Budget - bis zum Jahr 2027 aussieht und wie man das System (Stichwort Green Deal) ökologisch nachhaltiger gestalten könnte.

Nach nächtlichem Verhandlungsmarathon einigten sich die Agrarminister der Mitgliedstaaten am Mittwoch um 4 Uhr früh in Luxemburg auf einen Kompromissvorschlag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Für eine grünere Landwirtschaft sollen in den kommenden Jahren vor allem sogenannte Öko-Regelungen sorgen.

Demnach müssen die EU-Staaten künftig mindestens 20 Prozent der Direktzahlungen für Umweltmaßnahmen reservieren (das können zum Beispiel ein geringerer Einsatz von Düngung und Spritzmittel sein, oder Maßnahmen zum Humusaufbau oder für mehr Tierwohl...). Erfüllt ein Landwirt sie bekommt er zusätzliches Geld. Erfüllt er sie nicht, muss er zum Teil mit weniger Direktförderung rechnen.

Die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprach am Mittwochmorgen als amtierende Ratspräsidentin und damit Verhandlungsleiterin nach fast zweitägigen Verhandlungen in Luxemburg von einem "Systemwechsel". "Wir zeigen, dass eine stärkere Umwelt- und Klimaambition zusammengeht mit Ernährungssicherung und der notwendigen Einkommensstützung für die Betriebe." In Deutschland wäre demnach eine Milliarde Euro im Agrarbudget für die sogenannten Eco-Schemes vorgesehen, wie Klöckner sagte.

Umwelt-NGOs kritisieren indes "reine Klientelpolitik", und dass eine "Chance zur Agrarwende verspielt worden sei".

Österreich darf bestehende Umweltprogramme anrechnen

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) erklärte Mittwoch: "Wir haben auf EU-Ebene durchgesetzt, dass der österreichische Weg respektiert und unterstützt wird."

Was Köstinger damit meint? Österreich bot schon bisher eine Reihe von Umweltförderungen - diese waren hierzulande jedoch nicht in der sogenannten 1. Säule (der Direktzahlungen je Hektar) verankert, sondern in der 2. Säule (der ländlichen Entwicklung). Künftig darf Österreich seine Umweltmaßnahmen (wie z.B. das ÖPUL-Programm, an dem 80 Prozent von Österreichs Bauern teilnehmen) hier angerechnet werden.

Österreich habe sich immer für "einen Systemwechsel in der Landwirtschaft" eingesetzt, "weg von der Menge hin zur Qualität in der Produktion". "Viel Kritik, die aus der Gesellschaft kommt, ist ja durchaus auch berechtigt", ergänzte die ÖVP-Politikerin. Da sich Österreich bereits als "Feinkostladen" in Europa positioniert habe, sieht sie ein "Nachziehen anderer Staaten".

"Chance, dass sich etwas verändert"

Köstinger äußerte auch die Hoffnung, dass sich nach dem Skandal rund um den deutschen Fleischkonzern Tönnies in Hinblick auf Arbeits- und Sozialstandards in der Landwirtschaft "etwas in den nächsten Jahren verändert". Teil der gemeinsamen Agrarpolitik, dem Rahmenwerk für die agrarische Produktion, seien diese jedoch nicht, sondern vielmehr eine nationale Kompetenz.

Widerstand in großen Agrarländern

Etliche EU-Staaten hatten verpflichtende Öko-Regeln im Laufe der Verhandlungen noch strikt abgelehnt, aus ganz Deutschland fuhren etwa Bauern mit Traktoren zu Demos nach Berlin. Nach Nachbesserungen am deutschen Kompromissvorschlag stand der Kompromiss dann am frühen Morgen fest. Demnach ist nun unter anderem eine zweijährige "Lernphase" für die Öko-Regelungen vorgesehen. Sie soll sicherstellen, dass ungenutztes Geld aus diesen Umweltprogrammen für die EU-Staaten nicht verloren geht.

Wie geht es jetzt weiter: Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen die Staaten unter anderem mehr Freiheiten bekommen, wie sie eine Reihe vorgegebener Ziele erreichen wollen - etwa die Erhaltung der Natur, den Klimaschutz und die Sicherung der Lebensmittelqualität. Dazu soll jedes EU-Land selbst nun jeweils einen nationalen Plan erstellen, der von der EU-Kommission genehmigt werden müsste.

EU-Parlament will 30 statt 20 Prozent für Öko-Leistungen

Parallel zum Rat legt diese Woche auch das EU-Parlament seine Position zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) fest - und fordert für die Öko-Regelungen einen Anteil von mindestens 30 Prozent der Direktzahlungen. Seine endgültige Linie will das Parlament bis Ende der Woche festlegen. Anschließend könnten beide Seiten - das Parlament und die EU-Staaten - miteinander über die Agrarreform verhandeln. Umweltschützer hatten die Parlamentsposition bereits deutlich kritisiert und als unzureichend für die Erreichung der EU-Klimaziele bezeichnet.