Viele digitale Unternehmen könnten Krisengewinner sein“, sagte Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner jüngst der Kleinen Zeitung. Spielt die Coronakrise Start-ups also unternehmerisch in die Hände?
Michael Altrichter: Richtig ist, dass die digitalen Geschäftsmodelle noch stärker zunehmen. Eigentlich haben wir ja einen stetigen Übergang des Geschäfts beobachtet, der Online-Handel etwa hat immer ein paar Prozent mehr vom Gesamtkuchen übernommen. Die Corona-Krise brachte einen sprunghaften Anstieg. Auf einmal kommen immer mehr Firmen drauf, dass das Geschäft auch online ganz gut geht und jedes Unternehmen sieht, dass ich im Falle einer Krise ohne Online-Angebot nur Zweiter bin. Die digitalen Services spüren also einen enormen Auftrieb. Was aber nicht heißt, dass automatisch alle Start-ups Gewinner sind.

Das unterstreicht eine Umfrage von „AustrianStartups“, wonach Anfang April vier von zehn heimischen Start-ups glaubten, die Corona-Krise nicht zu überleben. Sie selbst sagten, es gelte ein „Massensterben zu verhindern“. Wie schätzen Sie die Lage heute ein?  
Tatsächlich kommen viele Start-ups unter Druck, etwa jene aus der Reise-Branche. Denen fällt der Umsatz komplett weg. Auch Start-ups, die bereits vor der Krise in einer leicht angespannten Phase waren – wo man noch nicht wusste, ob sie es schaffen werden oder nicht – haben durch die Krise einen Todesstoß bekommen. Es kommen also natürlich gerade einige Start-ups unter die Räder.

Wirkt das von der Regierung präsentierte Maßnahmenpaket?
Die Maßnahmen beginnen, gut zu greifen. Es gab leider eine Verzögerung, bis sie tatsächlich „live gehen“ konnten. Wenngleich man schon dazusagen muss, dass sich Geschwindigkeiten in der Corona-Zeit vervielfacht haben. Auch, was die Arbeit der öffentlichen Hand betrifft. Normalerweise dauern Programme Monate, bis sie sie „live gehen“. Und die eine Hälfte des Start-up-Pakets – der Covid-Startup-Hilfsfonds – wurde innerhalb einiger Wochen durchgepeitscht. Natürlich ist das für einige Start-ups immer noch zu langsam, weil die Uhren dort anders ticken. Im Start-up-Bereich reden wir immer von Tagen oder wenigen Wochen, wo sich viel tut. Aber der Hilfsfonds funktioniert mittlerweile ganz gut. Knapp 40 Start-ups haben ihn angenommen und circa zehn Millionen Euro wurden abgerufen.

Das zweite Standbein des angekündigten Pakets  – ein mit staatlichen Kapitalgarantien bedachter Risikokapitalfonds – lässt noch völlig auf sich warten.
An der Ausschreibung wird gearbeitet und ich hoffe, dass wir die Ausschreibung in Kürze auch tatsächlich sehen werden. Der „Venture Capital Fonds“ soll jedenfalls wesentlich zielgerichteter helfen und hat nicht diese große Breitenwirkung. Tendenziell werden reifere Start-ups selektiert.

Die Start-up-Welt kann mit Wartezeiten schwer umgehen, in der Politik sind ausgiebigere Diskussionen notwendig. Wie schwer fällt Ihnen das Pendeln zwischen den beiden Welten?
Es ist in der Tat eine Herausforderung und ich lerne täglich dazu. Ich sehe aber schon, dass sich die Geschwindigkeiten anpassen. In der Krise erkennt auch die öffentliche Hand: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Aber ja, es sind noch immer zwei unterschiedliche Welten und man muss beide Seiten verstehen.

Von Unternehmen hört man, die Hilfsmaßnahmen seien zu stark auf Investoren und zu wenig auf Start-ups selbst zugeschnitten.
Das kann man nicht trennen. Am Ende des Tages kommt die Hilfe natürlich den Start-ups zugute. Das Start-up braucht Geld und in der Krise mehr denn je. Deswegen ist es nicht zulässig, zu sagen, ich helfe dem Investor oder dem Start-up. Man hilft dem System und sorgt dafür, dass wieder Geld fließt.

Haben Sie eigentlich schnell Ja gesagt, als man Sie fragte, den „Start-up-Beauftragten“ zu machen?
Naja, ich entschied mich schon relativ rasch. Der Auftrag oder die Position war ja klar und ich hab mir im Vorfeld überlegt, ob das für mich grundsätzlich passen würde.

Die Entscheidung fiel aber freilich vor dem Ausbruch der Coronakrise.
Ja. Ich hätte mir das Bekanntmachen und Vorstellen in den einzelnen Ressorts auch ruhig und toll vorgestellt. Aber dann kam sofort der Lockdown und alles wurde anders. Es war irgendwie eine Form von Freischwimmen-Üben in der Coronawelle. Aber die Arbeit macht Spaß und es gibt ja kein Drehbuch für den Start-up-Beauftragten. Die Position gibt es ja zum ersten Mal in Österreich.

Sie machen das ehrenamtlich. Wie viele Stunden wenden Sie für den Job auf?
Jetzt zu Beginn fließt natürlich viel Zeit hinein. Wenn ein Paket vorgestellt wird, grenzt das schon fast an Vollzeitbeschäftigung. Dann gibt’s aber auch wieder einmal mehr Luft. Es ist aber jedenfalls eine interessante und ehrenvolle Aufgabe.

In vielen anderen Ländern ist die Funktion nicht ehrenamtlich. Soll das in Österreich auch geändert werden?
Für mich ist wichtig, dass die Arbeit ehrenamtlich ist und ehrenamtlich bleibt, um keinen Interessenskonflikt zu haben. Ich bin nun einmal privater Investor und Business Angel und bleib das auch. Natürlich bin ich stets an Innovationen interessiert und versuche diese auch zu fördern. Gleichzeitig will ich Österreich als Start-up-Land vorwärts bringen. Aber ich möchte auch von offizieller Regierungsseite möglichst unabhängig bleiben.

Sie halten selbst knapp 40 Beteiligungen an Start-ups. Würden Sie selbst in Wochen wie diesen investieren?
Ja.

Haben Sie es auch getan?
Ja, es gab zwei Follow-On-Investments und zwei neue Investitionen, die ich gerade verhandle.

Welche Visionen haben Sie eigentlich für eine österreichische Start-up-Welt nach der Coronakrise?
Es hat sich in Österreich eine Start-up-Szene entwickelt, die ich als zartes Pflänzchen beschreiben würde. Ja, es gibt viele Gründungen und viele Business Angels. Aber verglichen mit anderen Ländern ist es ein sehr überschaubares Ökosystem. Ich würde mir wünschen und daran arbeite ich, dass wir dieses Ökosystem vervielfachen. Dazu braucht es im Wesentlichen zwei Dinge. Erstens viel mehr Gründerinnen und Gründer – Ausgründungen von Unis und Neugründungen – und mehr Gründerspirit. Also mehr Personen, die es als ihr Lebenswerk sehen, ein Unternehmen aufzubauen. Und auf der anderen Seite brauchen wir noch viel mehr Kapital.