In Villach entsteht ein gewaltiges Stück Zukunft: Auf der kranumrankten Megabaustelle wird weithin sichtbar am Wahrzeichen nicht nur für Villach und Kärnten, sondern für Europa gebaut. Eine Weichenstellung des Infineon-Konzerns, der dem Kontinent eine neue Chance eröffnet. Eine Investition, die im besten Sinne des Wortes für Jahrzehnte „einzementiert“ ist, wie Infineon-Vorstandschefin Sabine Herlitschka sagt. 1,6 Milliarden Euro werden hier nach finaler Fertigstellung verbaut und in Equipment angelegt sein.

Wer die Fortschritte dieser Megafabrik im Jahreszeitenrhythmus verfolgt, wird überrascht sein, wie enorm sie sind. Wo noch im Mai 2019 nichts zu sehen war und sich im Herbst der Bau schon auf 16 Meter „schraubte“ – jene Höhe, wo damals sogenannte Waffeltische, 540 stabilisierende Betonteile mit hohem Eigengewicht, aneinandergereiht wurden –, ist jetzt der 35 Meter hohe Rohbau in voller Dimension erkennbar. Die Gleichenfeier Anfang Mai wird das äußerliche Zeichen dieses Baufortschritts sein.

60.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche

Bereits jetzt wird am Herzstück, dem fünf Meter hohen Reinraum, der einen beachtlichen Teil der Bruttogeschoßfläche von 60.000 Quadratmetern einnimmt, gearbeitet. Verschiedene Bauetappen finden zeitgleich statt, daher wird in der „Sektion Nord“ des Reinraums bereits der Innenausbau gemacht, während in der vorläufig abgetrennten Sektion Süd noch die machtvollen Stahldachträger in großer Höhe angebracht werden. „Man kann die Fabrik wachsen sehen“, erklärt Andreas Wittmann, der den Bau steuert und bereits in Malaysien ein ähnliches Projekt finalisierte.

Sabine Herlitschka
Sabine Herlitschka © Infineon

12 Milliarden Chips werden produziert

Mit dem Rohbau ist freilich erst die Errichtung der „Außenhaut“, auf die noch Aluplatten angebracht werden, abgeschlossen. Wie vielfältig das Innenleben sein wird, vermittelt die Höhe des Versorgungsgeschoßes darunter – an der Decke werden meterhoch Leitungen etwa für Strom, Wasser, Druckluft, Chemie und einiges mehr installiert. Reinräume, in denen ein Chip in 1500 Arbeitsschritten entsteht, sind 100 Mal sauberer als ein OP-Saal. Zwölf Milliarden solcher Chips werden jährlich produziert.
In einer tiefer liegenden Etage ist in einem weiteren, kleineren Reinraum bereits der Boden eingezogen, vorerst geschützt durch Holzplatten. Generell gelte die Regel: Für einen Quadratmeter Produktion werden sieben Quadratmeter Nebenfläche benötigt. Dazu dienen die eigens errichteten Logistik- und Versorgungsgebäude. Ende 2021 soll die Fabrik, in der Infineon seine Siliziumscheiben mit 300 Millimeter Durchmesser erzeugt, fertiggestellt sein, bis 2025 wird sie vollständig hochgefahren sein. 2000 verschiedene Produkttypen werden dann in Villach erzeugt.

Fabriksgebäude im Entstehen
Fabriksgebäude im Entstehen © ©helgebauer

Neues Forschungszentrum ab Mai

Die Villacher Zukunftsbaustelle hat aber noch mehr zu bieten. Etwa das neue Forschungszentrum, das Platz für 650 Büroarbeitsplätze hoch qualifizierter Mitarbeiter sowie Labor- und Messtechnikflächen bieten wird. Kostenpunkt: 50 Millionen Euro. Die Besiedelung des 20.000 Quadratmeter großen Gebäudes beginnt im Mai. 350 neue Jobs entstehen allein hier – zusätzlich zu den 400 der voll automatisierten Wafer-Fabrik. Die deutsche Konzernzentrale vertraute Villach auch globale Kompetenzzentren für neue Halbleitermaterialien und Leistungselektronik an.

Im September wird gefeiert

Im September wird hier groß gefeiert: Vor 50 Jahren begann Siemens in der Draustadt mit der Diodenproduktion, seit gut 20 Jahren ist Infineon der Hightech-Platzhirsch im Land. Wichtige Jubiläen, und doch blickt Herlitschka lieber in die Zukunft. Die Schwerpunkte des Konzerns – Energieeffizienz, Mobilität, Sicherheit und Nachhaltigkeit – reflektierten die großen globalen Herausforderungen.

Führend bei Energiesparchips

Infineon-Chips zeigten vor, wie Strom effizient geschaltet und so Ressourcen gespart werden können. In über 50 Prozent aller Rechenzentren weltweit, in 15 der 20 meistverkauften Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen und bei den zehn größten Erzeugern von Solar- und Windkraftanlagen finden sich Energiesparchips von Infineon, weltweit der elftgrößte Halbleiterhersteller.

Ein Blick auf die Konzerngiganten zeigt auch: Europa muss auf die Überholspur wechseln, will es nicht unter die Räder asiatischer und US-amerikanischer Oligopole kommen. Dabei helfen kann die Kernkompetenz von Infineon, der Einsatz von Halbleitertechnologie in Versorgungsnetzen. So reduziere man bis zu 75 Prozent der Energieverluste.

8,4 Millionen Tonnen CO2 einsparen

„Die Erweiterung durch die Fabrik und das neue Forschungszentrum sind auch wesentliche Beiträge für höhere Energieeffizienz“, sagt Herlitschka, die mit Infineon Austria 3,11 Milliarden Umsatz und über 4600 Arbeitsplätze (2019) verantwortet, davon 3748 in Villach, dem Standort des Headquarters. Durch die in Villach erzeugten Halbleiter wurden alleine 2019 8,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart – das Vierfache aller Pkw-Emissionen in Österreich.

Allein in Kärnten generiere Infineon 1,3 Milliarden Euro Wertschöpfung und schuf 2100 Arbeitsplätze seit den Krisenjahren 2008/2009. 27 Prozent der Belegschaft hier stammen aus 70 verschiedenen Ländern. Mit 17 Prozent F&E-Anteil ist Infineon eines der forschungsstärksten Unternehmen Österreichs.

So entsteht im Süden Villachs nicht nur eine eindrucksvolle Ikone – oder Trutzburg – der europäischen Hochtechnologie, sondern auch eine gigantische Produktionsstätte für mehr Energieeffizienz im Kampf gegen den globalen Klimawandel.