Die Milliardengrenze ist in der Wirtschaftswelt eine jener Markierungen, deren Überschreiten besondere Aufmerksamkeit erzeugt. Ist ein Start-up mehr als eine Milliarde wert, spricht man ehrfurchtsvoll vom begehrenswerten „Unicorn“, passiert ein Konzern die Umsatzgrenze, spielt er fortan im viel gehörten Konzert der „Milliardenkonzerne“.

In Österreich schaffte im Jahr 2018 laut dem Marktforschungsinstitut Focus „Sportsponsoring“ erstmals den Sprung über die magische Marke. Exakter: Der durch Sportsponsoring erzielte „Bruttowerbewert“ durchbrach die Grenze, errechnet als Mixtur aus Werbefläche – wie etwa der Größe eines Helmsponsors –, Länge der Sichtbarkeit in den Medien sowie marktüblichen Werbetarifen. Tendenz steigend.

Was bringt Sportsponsoring?

Aber warum setzen immer mehr Unternehmen auf Präsenz im Sportbereich? Was erhoffen sie sich, was treibt sie an und wie berechnen sie ihre Investments? Antworten suchen wir exemplarisch bei zwei Unternehmen, die große Erfahrung in Sachen Sportsponsoring haben. Und sich doch in Unternehmensgegenstand und -ausprägung deutlich unterscheiden.

„Gernot Kulis“, fällt Karl Moser schmunzelnd ein, als er an den Beginn des Sponsorings der Graz 99ers zurückdenkt. Der Kabarettist war einer jener Protagonisten, die Moser, unternehmerischer Kopf des gleichnamigen Spezialisten für Haarverpflanzung, und den steirischen Eishockeyverein vor mehr als zehn Jahren zusammenbrachten.

Mehr Bekanntheit, mehr Kunden

Unsere Bedingung war, dass Moser Medical im Vereinsnamen vorkommt“, erzählt Moser retrospektiv. Das wurde naturgemäß heiß diskutiert, aber, so Moser, „wir wollten unsere Marke ja in ganz Österreich massiv stärken“. Heute sei man „sehr zufrieden“ mit dem Verlauf der Partnerschaft, von der man wirtschaftlich auch unmittelbar profitiere. Karl Moser: Die Anzahl der Kunden sei „vor allem in der Steiermark und in Kärnten deutlich gestiegen“, das gesamte Wachstum der Gruppe konstant.

Ortswechsel. „Ein Großteil der Menschen kennt uns über den BVB“, erzählt Markus Langer, Chef der Markenkommunikation bei Evonik. „Die Strahlkraft der eigenen Marke“ hätte sich „stark erhöht“. Weltweit beschäftigt das deutsche Unternehmen mehr als 35.000 Mitarbeiter, Kerngeschäft ist die Spezialchemie. 2007 entstand Evonik durch eine Umfirmierung der RAG Beteiligungs AG, noch 2006 begründete der Konzern die Partnerschaft mit Borussia Dortmund.

Zweistellige Millionensumme

Wurde zunächst ein Millionenbetrag investiert, fließt heute eine zweistellige Millionensumme in den Klub. Immer wieder wird das Duo als globales „role model“ in Sachen Sportsponsoring genannt.

„Wir wollten damals den neuen Namen möglichst schnell weltweit bekannt machen“, blickt Langer zurück. Das gelang, auch weil ein gewisser Jürgen Klopp den sportlichen Beschleuniger spielte. In schwierigen Zeiten übernahm Klopp das Dortmund-Zepter und coachte die Borussen zum Meistertitel und mit Evonik am Trikot bis ins Champions-League-Finale.

Prominent auf dem Arbeitsmarkt

Freilich sei es für Evonik schwierig zu messen, „wie viele Produkte genau wir durch unser BVB-Engagement mehr verkauft haben“, sagt Markus Langer. Zumal der Konzern im Sportsponsoring als Exot gilt und die eigenen Produkte nicht direkt an Konsumenten vertreibt, sondern im B2B-Bereich agiert. Dafür konnte Evonik „am Arbeitsmarkt rund um die Welt nachweislich prominenter werden“. Der Bindungskraft von Sport im Allgemeinen und Fußball im Speziellen könne ohnehin jedem Unternehmen zusätzliche Türen und Tore öffnen. So hätten nicht zuletzt wirtschaftliche Entscheidungsträger ein „überproportionales Interesse an Fußball“, erzählt Langer.

Als plumpe Einbahnstraße sollte Sportsponsoring dennoch nicht verstanden werden, gerade bei Traditionsvereinen ist das Verhältnis zwischen Sponsoren und Fans selten friktionsfrei. Markus Langer: „Auch wir mussten lernen. Etwa, dass ein Verein nie dem Management eines Vereins alleine gehört.“