Michael Häupl, langjähriger Bürgermeister von Wien und gerade eben zum Präsidenten der Wiener Volkshilfe bestellt, blickt im Gespräch mit Peter Pelinka in der Redaktion der Wiener Zeitung zurück auf seine Zeit in der Politik. Aber er geht auch auch auf persönliche Herausforderungen wie seine schwere Krankheit ein, die ihm drei Monate Spitalsaufenthalt und im Anschluss eine Reha bescherte.

Nierenkrebs im Frühstadium, so lautete die Diagnose. Die Operation verlief ohne Komplikationen, Nachbehandlung war keine erforderlich. Doch dann ging es zur Sache: Ein Abszess mit nachfolgender Sepsis, „und alle Komplikationen, die man sich denken kann“.

Fast 30 Kilogramm hatte der gewichtige Ex-Politiker im Zuge der Krankheit verloren, heute hält er wieder bei 95. „Und ich bin so sportlich wie noch nie.“ Abstriche beim Essen sind der Preis, den er dafür zahlt. Und weniger vom Spritzwein: „Das, was ich früher täglich getrunken habe, trink’ ich heut’ nicht einmal mehr in einer Woche.“

Neuer Chef der Volkshilfe Wien

Davon abgesehen ist „der Häupl“ ganz der Alte. Als junger Biologe, als er schon angedockt hatte an die Jugendorganisationen der SPÖ, hatte der frühere Bürgermeister Helmut Zilk zu ihm gesagt: „Sei net deppert. Frösche zählen kannst später auch noch. I brauch’ di als Umwelt-Stadtrat in Wien.“

Und heute, wo er sich nach fast 24 Bürgermeister-Jahren als Ex-Politiker dem Ruhestand widmen könnte, ließ er sich dazu hinreißen, die Volkshilfe Wien zu übernehmen. „Die Corona-Krise war eine Gesundheitskrise, jetzt wird sie zu einer Wirtschafts- und Sozialkrise, zu einer umfassenden gesellschaftlichen Krise. Die Leute stehen vor besonderen sozialen Problemen. Ich bringe mich da ein, weil auch eine Organisation im zivilgesellschaftlichen Bereich ein Gesicht haben sollte.“

Das wichtigste Anliegen ist ihm dabei heute die Grundsicherung für Kinder. Diese Thema schmerze ihn am meisten. „Die Leute begreifen nicht: Wenn einer gibt, haben zwei was davon.“

Vier-Tage Woche versus Grundeinkommen

Häupl nimmt sich kein Blatt vor den Mund, weder wenn es um die eigene Partei noch wenn es um die Konkurrenten geht. In der SPÖ müssten die Leute endlich begreifen: „Es geht darum, dass wir zusammenhalten, dass wir nicht die Fehler von anderen kritisieren, sondern miteinander ein Team bilden, das sich den Themen verschreibt. Im Fußball hat man das verstanden, in der Politik hoffentlich auch.“ Am Beispiel der jüngsten Auseinandersetzung zwischen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Burgendlands SPÖ-Chef Hans-Peter Doskozil: „Die Diskussion Vier-Tage-Woche versus Grundeinkommen ist mühsam und lächerlich. Es geht darum, die vorhandene Arbeit gerecht zu verteilen, mit Arbeitszeitverkürzung und Mindesteinkommen.“ Und darum, die falschen Behauptungen der politischen Konkurrenz zu widerlegen.

"Haider hat immer Wort gehalten"

Apropos Konkurrenz: Den abgehalfterten FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat er nie als ernsthaften Gegner empfunden. Mit Jörg Haider, den er von seinen Studententagen her gekannt habe, sei dies etwas anderes gewesen. „Er war ein Populist, und ein Rechter par excellence. Aber er war ein gescheiter Mensch. Ich konnte mich nicht beklagen, dass er je etwas, was ausgemacht wurde, nicht eingehalten hätte.“

Das rot-grüne Bündnis in Wien hat sich in Häupls Augen bewährt, auch wenn er den Eindruck habe, dass sich die Grünen im Moment nicht so sehr darum bemühten wie früher.