"Es wird niemanden überraschen, dass wir unter den Parteien die größte Schnittmenge haben", eröffnete Wahlsiegerin Elke Kahr (KPÖ) die kurzfristig einberufene Pressekonferenz mit Grünen-Chefin Judith Schwentner und SPÖ-Chef Michael Ehmann. Damit ist 17 Tage nach der Wahl eine Vorentscheidung gefallen: Graz nimmt Kurs auf eine linke Regierung.

Wenngleich die Dreierrunde das Tempo noch nicht anzieht. Denn bei den Gesprächen, die man nun "intensiv" und "ernsthaft" in den nächsten zehn Tagen führen wird, sind keine Koalitionsverhandlungen, sondern eine Vorstufe davon: "Vertiefende Sondierungsgespräche" ist der Name, auf den sich Kahr, Schwentner und Ehmann geeinigt haben. Am Ende allerdings, auch das wurde klar, soll eine rot-grün-rote Regierungskoalition stehen.

KPÖ, Grüne und SPÖ folgen "dem klaren Auftrag der Wählerinnen und Wähler"

Damit komme man "dem klaren Auftrag der Wählerinnen und Wähler" nach, sagt Grünen-Chefin Schwentner. KPÖ und Grüne haben am 26. September ja beide kräftig zugelegt. Die Themen Soziales und Klimaschutz sollen "in den nächsten fünf Jahren im Zentrum stehen", so Schwentner.

Für Ehmann geht es nun darum, Verantwortung zu übernehmen, "wir haben viele Ideen für ein lebenswertes Graz". Dafür, von einer Koalition zu sprechen, sei es noch zu früh, aber: "Ich glaube, es tut Graz gut."

Die Dreierrunde will eine "neue Kultur ins Rathaus" einziehen lassen

Bei allen vertiefenden Gespräch wollen die drei Parteien aber nicht auf die ÖVP vergessen. "Ich habe das ja von Anfang an gesagt: Die Zusammenarbeit mit der ÖVP ist uns wichtig", sagt Kahr. "Wenn wir von einer neuen Kultur im Rathaus reden, dann meinen wir gerade die ÖVP und dass wir sie mit Ressorts nicht beschneiden wollen." Auch die Grüne Schwentner sieht "verantwortungsvolle Ressorts" bei der ÖVP - welche, lassen alle drei offen. Über die Ressortverteilung sei schließlich noch nicht gesprochen, wenngleich die KPÖ schon einige Pflöcke öffentlich eingeschlagen hat: Wohnen und Soziales für Kahr, Finanzen für Manfred Eber.

Einmal mehr lässt Kahr aber schon erkennen, dass sie mit der bisherigen Praxis im Rathaus brechen wird. So sollen alle Parteien mit Klubstatus Aufsichtsräte in städtischen Unternehmen nominieren, um für mehr Transparenz zu sorgen. Auch die PR-Ausgaben werde man "zurückschrauben". Und die Wiedereinführung des "Kopf-Verbotes" ist wieder am Tisch: Also das Werben mit politischen Köpfen, bezahlt mit städtischen Geldern.

Graz erstmals mit weiblicher Doppelspitze im Rathaus?

Rund um den 20. November könnte es zur konstituierenden Sitzung kommen, falls die Verhandler sich auf einen Pakt einigen. Dann hätte Graz mit Elke Kahr nicht nur erstmals eine Bürgermeisterin - und was sicher noch einmal extra Schlagzeilen bringt: Eine kommunistische Stadtchefin -  sondern mit ihrer Vizebürgermeisterin Schwentner gleich eine weibliche Doppelspitze.

In den bisherigen Gesprächen hätte die ÖVP, die als zweitstärkste Partei das erste Anrecht auf den Vizebürgermeister-Posten hat, diesen Wunsch nicht geäußert, so Kahr. Deshalb sei sie von ihrer Ansage vor der Wahl - der Zweite soll den Vizebürgermeister stellen - wieder abgerückt.

Bei Grünen und SPÖ: Kein Veto "von oben"

Einfluss von anderen Polit-Ebenen weisen sowohl Schwentner als auch Ehmann zurück. "Ich habe mit Anton Lang heute in der Früh telefoniert. Er weiß Bescheid und ist eingebunden", sagt Ehmann über seinen Landesparteichef. Auch Vizekanzler Werner Kogler sei informiert und werde selbstverständlich "kein Veto und keinen Einwand einlegen".

Ehmann wird Ende kommender Woche das Ergebnis der Gespräche im Parteivorstandvorlegen und sich, im Fall der Fälle, das interne Go für die echten Koalitionsverhandlungen holen. Am Ende lassen alle drei Parteien ein Verhandlungsergebnis intern abstimmen.

ÖVP-Reaktion: "Jetzt ist Kahr in der Pflicht"

Kurt Hohensinner, designierter Stadtparteiobmann der Grazer ÖVP, zeigte sich nach der heutigen Pressekonferenz von KPÖ, Grünen und SPÖ "erstaunt" - man habe am Vortag noch drei Stunden lang mit der KPÖ verhandelt und einen vertiefenden Folgetermin vereinbart. Die Ankündigung über konkrete Verhandlungen einer rot-rot-grünen Koalition habe man nun aus den Medien erfahren. "Wir nehmen aber die Entscheidung zur Kenntnis, dass nun versucht wird eine Koalition weit links der Mitte zu bilden", so Hohensinner.

Es sei trotzdem "gut, dass es jetzt Klarheit gibt. Elke Kahr ist in der Pflicht und muss für Graz liefern. Wir sind gespannt darauf, welche konkreten Projekte und Vorhaben präsentiert werden." Von der KPÖ sei trotz des 30-Punkte-Fragenkatalogs wenig zu erfahren gewesen. Die Grazer Volkspartei habe jedenfalls immer Verantwortung übernommen: Das werden wir auch in Zukunft tun und in den uns zugewiesenen Ressorts mit vollem Einsatz für Graz arbeiten", so Hohensinner.

FPÖ: "Inländerfeindlichkeit und grüne Verbotspolitik"

Die künftige Opposition nimmt ihre Arbeit bereits auf - und kritisiert Rot-Grün-Rot. "Nun werden die Errungenschaften der FPÖ rückabgewickelt. Ein inländerfeindlicher Politikstil, der nicht die Interessen der eigenen Bevölkerung in das Zentrum stellt, wird in Graz zurückkehren", sagt FPÖ-Chef und Noch-Vizebürgermeister Mario Eustacchio. Die Bevorzugung österreichischer Staatsbürger im Gemeindebau werde bald Geschichte sein und eine grüne Verbotspolitik werde dem Wirtschaftsstandort Graz schweren Schaden zufügen.

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