Feierliche Ansprachen zwischen zwei Sektkorkenknallern, belegte Brötchen bis zum Abwinken und mit etwas Glück ein Mitarbeiterbonus: Ja, so ein Jubiläum will meist gefeiert werden. Dass es in diesem Fall nicht passiert, hat weniger mit dem Lockdown zu tun – sondern mit dem Umstand, dass 30 Jahre VinziBus in Graz leider nicht genug sind; dieser Geburtstag gerade vor den Wintermonaten mehr einem Auftrag gleichkommt; und sich außerdem auch ein anderer bedrückender Umstand jährt: Der Tod eines Obdachlosen, der vor zehn Jahren erfroren ist, schockierte damals Graz.

Am 1. Dezember 1991 etablierte Pfarrer Wolfgang Pucher gemeinsam mit Jugendlichen den VinziBus nach Wiener Vorbild. Bis heute wurden dabei Grazer in Not mit 1,3 Millionen belegten Broten und mehr als 290.000 Litern Tee versorgt – in 87.600 ehrenamtlich geleisteten Stunden. Und mit einem Grundsatz: „Wenn die Fahrer aus dem Bus aussteigen, reichen sie zunächst jedem Gast die Hand – als Zeichen der Wertschätzung“, so Pucher. Auch heute noch, wenn der Bus täglich ab 20 Uhr im Augarten, auf dem Jakominiplatz und auf dem Hauptbahnhof vorfährt. Mit Unterstützung der Firma Anton Paar und als „Tankstelle menschlicher Wärme“.

1,3 Millionen belegte Brötchen und mehr als 290.000 Liter Tee wurden gespendet
1,3 Millionen belegte Brötchen und mehr als 290.000 Liter Tee wurden gespendet © KLZ/Hassler

Was gerade jetzt vor den frostigen Wintertagen von Bedeutung ist. Noch dazu inmitten einer Pandemie, die Graz auch mit Elend konfrontiert, das buchstäblich auf der Straße liegt: Im März 2020 versammelte ein offensichtlich Obdachloser mitten in der Herrengasse seine Habseligkeiten, heuer im Herbst errichtete ein Mann wochenlang sein Nachtlager vor dem H&M beim Hauptplatz.

Das Gesicht der Armut hat sich gewandelt. Die Menschen, die bei uns um Hilfe bitten, sind immer öfter Alleinerziehende, Pensionbeziehende, geringfügig Beschäftigte oder Personen in Kurzarbeit, die nicht bis zum Ende des Monats mit ihren geringen finanziellen Mitteln auskommen“, weiß Amrita Böker, Koordinatorin der VinziWerke, auch von diesen Auswirkungen von Corona zu berichten.

Dieser Fall schockierte Graz

Umso mehr betont man heute wie vor zehn Jahren, als ein Obdachloser in St. Peter erfroren ist: In Graz muss niemand draußen übernachten. Aber man könne abgesehen von Ausnahmefällen auch niemanden zwingen, Hilfe anzunehmen. Jedenfalls sind Betroffene vielerorts willkommen: Allein die Vinzenzgemeinschaft hält dank Spenden und mit finanzieller Unterstützung der Stadt Graz acht Dauerreinrichtungen bereit – vom VinziTel als Notschlafstelle (Tel. 0316/58 58 05) bis zum Vinzidorf (Tel. 0316/58 58 039). Doch auch die Stadt selbst hilft: So hat der zuletzt zuständige Stadtrat Kurt Hohensinner mit der Caritas das neue „Tageszentrum Mesnergasse“ als niederschwellige Anlaufstelle eröffnet. Zudem existiert seit Jahren das Kältetelefon (0676/880 158 111).

Daher gehe auch zum Glück die Zahl der Obdachlosen in Graz zurück: Waren es im Jahr 2017 noch 428 Personen, sind es heuer 289 Menschen. Einer, der nicht mehr dazugehört, ist Michi: Der 45-Jährige lebte jahrelang unter der Keplerbrücke, nun aber hat er seine eigene Wohnung (wir berichteten).