Mädchen tragen Rosa, Burschen tragen Blau. Mädchen sind nicht gut in Mathe, Burschen schon. Ein Bursche darf nicht weinen, ein Mädchen sehr wohl. Auch wenn diese Klischees veraltet klingen, existieren sie in dieser oder in abgewandelter Form immer noch, weiß Emina Saric. Sie ist an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Graz tätig und hat kürzlich eine Handreichung veröffentlicht. Es geht darin um reflexive Geschlechterpädagogik, in anderen Worten also darum, wie man in Schulen Geschlechtergleichstellung fördern, Stereotypen und Rollenzuschreibungen abbauen kann.

Muster, die sich aufs Geschlecht beziehen, nisten sich schon früh in den Köpfen von Kindern ein. Weil die Vorschriften und Vorurteile aus dem nahen Umfeld kommen, glauben die Kinder daran. "Wir müssen diese Muster aufbrechen", so Saric. Um sich frei entwickeln zu können, müssten soziale, kulturelle und religiöse Hintergründe "dehnbar" werden.

Emina Saric forscht seit Jahren zur reflexiven Geschlechterpädagogik
Emina Saric forscht seit Jahren zur reflexiven Geschlechterpädagogik © KK

Von Kleidervorschriften bis hin zu Gewalt

Das ist leichter gesagt als getan. Schüler bringen oft Werte von zu Hause mit, die sich schwer mit Gleichberechtigung vereinbaren lassen. Das fängt bei Kleidervorschriften an und kann in Machtgefällen und Gewalt gipfeln. Bei jungen Männern beobachtet Saric etwa häufig, dass die Familie – meist der Vater – ihnen vermittelt, dass sie Aufpasser der Frauen sein müssen. "Ich bin ein cooler Bursche, also bestimme ich, was meine Freundin anzieht, wie sie sich verhält, mit wem sie sich trifft. Ich besitze meine Freundin", erklärt Saric, was in den Jugendlichen vorgeht.

Dabei sind sie selbst Opfer. Sie spüren großen Druck vonseiten der Familie und sind innerlich zerrissen: "Wenn ich dem Kodex meiner Community nicht folge, dann bin ich ein Verräter, wenn ich mich von der österreichischen Gesellschaft abwende, dann bin ich ein Versager. Das sind die Knoten, die wir lösen müssen", so Saric. Besonders häufig zeigt sich das Problem in sogenannten ehrkulturellen Milieus: Die Ehre der Familie gilt als heilig und wird schon durch den kleinsten Fehltritt einer Frau – etwa Kontakt zu einem fremden Mann – verletzt.

Schule müsse "neutraler Raum" sein

Was nun Schule tun kann, um dagegenzuwirken? "Neutraler Raum sein", meint Saric. Schüler sollen dort reflektieren können. Konkret arbeitet Saric mit Jugendlichen in Projekten. "Heroes" ist zum Beispiel eine Initiative, in der sie mit ihrem Kollegen Michael Kurzmann, Burschen einen Raum gibt, um ihre Probleme anzusprechen. "Sie sehen dann: Es geht nicht nur mir so. Untereinander können sie sich helfen." Die Burschen arbeiten in Folge in Schulen mit Gleichaltrigen zusammen.

Im Projekt "Heroes" sollen junge Männer frei sprechen können
Im Projekt "Heroes" sollen junge Männer frei sprechen können © Heroes

Bei Mädchen setzt Saric auf Aufklärung. Es geht darum, "traditionsbedingte Gewaltstrukturen" zu benennen. Sie werden in Österreich oft gar nicht erkannt. "Zwangsverheiratung klingt wie aus dem 17. Jahrhundert –aber das gibt es nach wie vor." Auch Ehrenmord, Verhüllung und Genitalverstümmelung liegen nicht so fern, wie es scheint.

Die Burschen arbeiten dann in Schulen mit Gleichaltrigen zusammen
Die Burschen arbeiten dann in Schulen mit Gleichaltrigen zusammen © Heroes

Sarics jahrelange Erfahrungen aus ihren Projekten – die übrigens zuletzt den Integrationspreis des Außenministeriums und den Menschenrechtspreis des Landes Steiermark erhielten – sollen, gebündelt in der Handreichung, Unterstützung für Lehrende sein. "Das Thematisieren der Probleme ist wichtig, auch damit Lehrende sich nicht im Stich gelassen fühlen." Die KPH Graz bietet dazu auch Informationswebinare und Beratungen an.