Der österreichische Hersteller KTM hat beim letzten Rennen in Brünn  gezeigt, dass die Orangen ab sofort für jeden in der MotoGP ernst zu nehmen sind. Die oberösterreichische Truppe hat sicher schon im Winter das Gefühl gehabt, dass sich alle Puzzleteile punktgenau aneinanderfügen. Nicht dass man sofort annehmen durfte, ein perfektes Bike zu haben, aber eines, mit dem man aufs Podium fahren kann. Das haben sie alle wohl gespürt und gefühlt. Mit den Tests, den guten Zeiten und gerade jetzt mit dem Sieg in Brünn hat in Mattighofen alles schwarz auf weiß, dass alles so funktioniert wie man sich das über eine lange Zeit vorgestellt hat. Das Team in Orange löst mittlerweile Schweißausbrüche bei der erfolgsverwöhnten Konkurrenz aus. KTM fährt jetzt nicht mehr nur mit, sie sind ein Gegner, den es auch zu schlagen gilt.

Dass die Mattighofener auch von Anbeginn an, immer am eingeschlagenen Weg festgehalten haben, auf einen Stahlrahmen zu setzen, auf das hauseigene Fahrwerk von WP-Suspension, hinterfragt mittlerweile auch keiner mehr. Viele haben immer kritisiert, dass ein Gitter-Stahlrahmen in der MotoGP nicht funktioniert. Dazu müsse man auch einmal auf Fahrwerkselemente vertrauen, wo man weiß, dass sie funktionieren, etwa von der Firma Öhlins. Immer wieder wurden diese Argumente angebracht, wenn es hieß, die Fähigkeiten zu bezweifeln.

Nun, KTM ließ sich von allen Beteuerungen nicht weiter beirren, hielt fest am „In-House-System“, sah in den kurzen Wegen einen enormen Vorteil, dass man einen Rahmen schnell bauen kann, dass man das Versuchsgelände von WP gleich ums Eck hat. Dass man eben zu Hause alles unter einem Dach hat. Man war und ist vernetzt. Und jetzt hat man die Bestätigung, dass es sich auszahlt. Die Kritiker sind nun sehr, sehr stumm geworden zu dem Thema. Sogar noch mehr. Auch die Konkurrenz muss sich das genauer anschauen. Denn die kurzen Wege bei der Entwicklung können auch für die Zukunft ein ganz entscheidender Vorteil sein, den sich die orange Fabrik erarbeitet hat. Und das sogar in relativ kurzer Zeit.

Kurze Wege, schnelle Erfolge

Die Lücke von einem Rückstand von mehr als zwei Sekunden zum Siegbringer hat die sehr ambitionierte Truppe sehr schnell gefüllt. Es ist doch ein Vorteil, wenn man nur über den Hof laufen muss, um eine neue Idee umzusetzen. Nicht zu vergessen, dass KTM auch einige Täler durchwandern musste – sei es bei technischen Fragen oder sei es bei den Personalien. Es lief nicht immer so rund. Umso lobenswerter ist, was das Team in dieser Zeit erreicht hat.

Als beispielsweise Ducati in die MotoGP einstieg, war sie auch gleich in den ersten fünf Jahren recht erfolgreich. Aber die Italiener hatten den Vorteil, auf Rennerfahrung mit einem Viertaktmotor aus der Superbike-WM zurückgreifen zu können. Für Ducati war die MotoGP kein so unerforschtes Neuland. Und in Munderfing, dem Sitz der Rennmannschaft, hält man an den Strukturen nicht nur bei der Technik fest. Sondern beispielsweise auch bei den Fahrern. Allein Brad Binder hat seine gesamte Rennfahrerei dort durchlaufen, von Klasse zu Klasse. Und wenn du immer wieder ein siegfähiges Motorrad hingestellt bekommst, dann bleibst du auch gerne bei diesen Teams. So ist es auch für alle Beteiligten immer leicht gewesen, die Meisterschaften zu planen. Sie konnten mit dem Einstieg in die MotoGP vor rund vier Jahren auch ihren jungen Fahrern einen Weg vorzeichnen und schmackhaft machen. Man verlor die Talente nicht gleich, wenn die Jungs eine Stufe höher kletterten.

Das jüngste Beispiel ist eben Brad Binder. Am letzten Wochenende hat er gezeigt, was in ihm steckt. Er hat schon in der Moto3, in seinem Weltmeisterjahr, unglaubliche Rennen abgeliefert, hat von ganz hinten gewonnen. Er ließ einen Glanztag nach dem anderen folgen und wurde Weltmeister. Auch in der Moto2 war immer im Titelkampf involviert. Er hat einen beeindruckenden Fahrstil, kontrolliert das Motorrad ausgezeichnet über die Hinterradbremse. Und das ist auf einem Motorrad mit viel Leistung sehr hilfreich. Dazu ist er ein ziemlich cooler Typ, der sich wenig stressen lässt.

Er ist bestimmt nicht der Anti-Marquez. Dagegen sprechen auch alle Zahlen. KTM hat einfach ein Paket, dass insgesamt eine schlagkräftige Truppe darstellt. Es gibt keine unumstrittene Nummer eins, wie Marquez bei Honda. Sie haben nach dem Weggang von Pol Espargaro einen Binder, einen Miguel Oliveira, das Haus zieht seine Fahrer heran und baut sie so auf, wie man es gerade braucht. Ein scheinbar erfolgreicher Weg.