Seit Dienstag steht Österreich wieder still. Der zweite Lockdown des Jahres hat die Bewegungen im gesamten Land auf ein Minimum heruntergefahren. Und doch wird heute Abend in der NV-Arena in St. Pölten Fußball gespielt. Es ist aber kein Bundesliga-Spiel der Herren, das ausgetragen wird. Die Frauen des SKN St. Pölten treffen in der zweiten Qualifikationsrunde der Women's Champions League auf den russischen Vertreter ZSKA Moskau (17 Uhr, ORF Sport+ live). "Ich denke, die Chancen stehen 50:50", sagt St. Pölten-Kapitänin Jasmin Eder. Die 28-Jährige ist trotz des Verbotes von Zuschauern froh, dass die entscheidende Partie (es gibt kein Rückspiel) in Niederösterreich stattfindet. "Klar, es gibt keinen typischen Heimvorteil. Aber es ist trotzdem besser, keine lange Anreise zum Spiel zu haben."

Während Eder und Co. die heimische Frauen-Bundesliga seit Jahren beinahe nach Belieben dominieren (seit 2015 hieß der Meister und Cupsieger jeweils St. Pölten), war international bisher immer in der Runde der letzten 32 Teams Endstation. "Der Aufstieg ist ganz klar das Ziel", sagt die Mittelfeldspielerin. "Es ist immer ein spezieller Anreiz, sich international mit den besten Mannschaften zu messen."

Nach dem heutigen Champions-League-Abend ist für die ÖFB-Nationalteamspielerin aber noch lange nicht Winterpause. Das Sechzehntelfinale würde im Falle eines Aufstieges erst am 15. oder 16. Dezember den fußballerischen Jahresabschluss markieren. Davor geht es für Eder und ihre österreichischen Nationalteamkolleginnen in der EM-Qualifikation auch noch nach Frankreich (27. November) und nach Altach (1. Dezember, gegen Serbien). Nach dem sensationellen 0:0 im Heimspiel gegen Frankreich will die Mannschaft von Teamchefin Irene Fuhrmann auch auswärts überraschen. "Das Unentschieden daheim war auf jeden Fall cool, ändert aber nichts an der Ausgangssituation. Frankreich ist eine Weltklasse-Mannschaft, eine Top-drei-Nation", sagt Eder. Zweiter ist Österreichs Frauenteam in der EM-Qualifikationsgruppe G bereits fix, aktuell zählt man auch zu den besten drei Gruppenzweiten und wäre damit sicher bei der EM-Endrunde 2022 in England mit dabei.

"Wir wollen in Österreich eine Profiliga haben"

Wichtig wäre die EM-Teilnahme auch für die Weiterentwicklung des heimischen Frauenfußballs allgemein. Von der Breite bis zur Spitze. Ein gesteigertes Interesse am Frauenfußball war schon nach der erfolgreichen EM-Teilnahme 2017 zu bemerken. Im Rahmen des ersten Lockdowns im Frühjahr dieses Jahres wurde die österreichische Frauen-Bundesliga abgebrochen - im Gegensatz zur Herren-Bundesliga. Für Eder verständlich. Warum, das hat sie damals in einem ausführlichen Instagram-Posting erklärt:

Dass der Herbstdurchgang trotz neuerlichen Lockdowns nun zu Ende gespielt werden konnte, "ist auf jeden Fall ein Erfolg. Wir sind wirklich extrem dankbar dafür", sagt Eder. "Das zeigt, dass unsere Leistungen Anklang finden. Mir war mein Posting im Frühjahr wichtig, um zu sensibilisieren. Wir haben im österreichischen Frauenfußball noch nicht die Möglichkeiten, komplett professionell aufgestellt zu sein. Die Frauen-Bundesliga ist eine Amateurliga."

In Zukunft soll sich das aber ändern. "Wir wollen in Österreich eine Profiliga haben", sagt Eder, die beim Österreichischen Fußballbund arbeitet und für den Bereich Mädchen- und Frauenfußball zuständig ist. "Wir wollen, dass Mädchen aufwachsen und wissen, dass sie von ihrer Leidenschaft, dem Fußball, auch in Österreich leben können. Auch, wenn es kleine Schritte sind. Es geht in die richtige Richtung."

Mit einem sportlichen Ausrufezeichen von St. Pölten am heutigen Abend wäre ein weiterer Schritt Richtung größerer Aufmerksamkeit und Anerkennung des heimischen Frauenfußballs getan.