Schalke 04 spielt Champions League! Was sich zunächst ob der aktuellen Umstände absurd liest, ist gar nicht so weit hergegriffen. Die Gegner Schalkes heißen jedoch nicht etwa Bayern München oder Real Madrid, sondern Fnatic und Misfits. Und gespielt wird nicht Fußball, sondern das Multiplayer-Computerspiel League of Legends (kurz auch: LoL).

Seit 2016 betreibt Schalke rund 500 Kilometer vom Ruhrpott entfernt in Berlin-Charlottenburg eine eigene E-Sports-Abteilung. Kein anderer Bundesligist Deutschlands investiert dermaßen intensiv in die aufstrebende Branche, kein anderer stieg bislang neben den Sportsimulationen FIFA und PES auch in andere Titel ein, die in der E-Sports-Szene weit mehr Aufmerksamkeit erhalten - wie beispielsweise League of Legends.

Bei Schalke ist das anders. Dass es der Verein ernst meint, hat er bereits 2017 bewiesen, als das damalige LoL-Team vor dem DFB-Pokalspiel gegen Köln ins Stadion einlaufen durfte und den Fans präsentiert wurde. Der ehemalige Fußballprofi Tim Reichert, Chief Gaming Officer bei Schalke, sagte 2019 gegenüber dem Kicker: "E-Sport ist ein Geschäftsfeld, das in sehr naher Zukunft sogar Profite an unser Kerngeschäft Fußball zurückführen können wird."

Teams verlieren jährlich einige hunderttausend Euro

Aktuell ist man davon noch weit entfernt. Wie die französische L'Equipe berichtet, zahlen die Teams, die in der League of Legends European Championship (LEC), der europäischen LoL-Eliteliga - der Champions League der LoL-Spieler, wenn man so will - vertreten sind, vielmehr drauf. Einige hunderttausend Euro jährlich sollen die Teams verlieren, die Kosten (Gehälter, Mieten, etc.) fallen weit höher aus, als die Einnahmen (Merchandising, Sponsoren, Preisgelder, etc.). Mit den 80.000 Euro, die das Siegerteam der LEC erhält, lässt sich nicht einmal ein Drittel eines E-Sport-Profis bezahlen.

Rund 260.000 Euro Jahresgehalt verdient ein LEC-Spieler im Durchschnitt, in Schalkes Team gibt es aktuell fünf davon. Und alleine acht Millionen Euro zahlte Schalke 2019, um überhaupt einen Startplatz in der zehn Teams umfassenden Franchise-Liga zu erhalten. Wieso macht Schalke, dessen Kerngeschäft wie bereits erwähnt Fußball ist, das alles also?

Die Antwort hat Reichert bereits gegeben: Schalke, so wie alle anderen Teams, hofft schlichtweg auf ein profitables Geschäft in der Zukunft. Das Interesse am E-Sport ist enorm - Tendenz steigend. Gestreamt wird die LEC über die Videoportale Twitch und YouTube, gesponsert unter anderem von Red Bull oder Kia. Das Finalspiel der Sommer-Saison 2020 verzeichnete laut dem LoL-Herausgeber Riot Games eine durchschnittliche Zuseherschaft von 819.400 Personen pro Minute, das ist ein 70-prozentiger Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt schauten Fans und Interessierte im Summer Split (es gibt auch einen Spring Split) ganze 40 Millionen Stunden anderen Menschen beim Spielen zu.

Wert des LEC-Startplatzes mehr als verdoppelt

Der Schuldenberg der Knappen soll sich auf gut 240 Millionen Euro belaufen, bei einem finanziell schmerzenden Abstieg wird insbesondere nach dem Abgang von Millionär Clemens Tönnis eine Fortführung eines (aktuellen) Verlustgeschäfts in einer Computerspiel-Liga kaum zu rechtfertigen sein. Zudem bringt die Teilnahme an der LEC für den Verein Schalke auch hinsichtlich seines Non-Profit-Status in Gefahr, da das deutsche Parlament nur elektronische Sportsimulationen wie eben FIFA und PES als "non-profit" akzeptieren möchte - LoL fällt dort nicht hinein.

So könnte Schalke - allen Langzeitplänen zum Trotz - schon bald seinen Startplatz in der LEC verkaufen, um zumindest teilweise zu verhindern, dass der Fußballbetrieb nicht nur sportlich, sondern auch finanziell komplett gegen die Wand gefahren wird. "Aufgrund des möglichen Abstiegs in die 2. Bundesliga und der Ungewissheit, wann Fans wieder in das Stadion zurückkehren können, muss der Klub alle Optionen für zusätzliche Finanzierung beleuchten", veröffentlichte die E-Sports-Abteilung Schalkes vor Kurzem ein Statement.

"Das inkludiert (...) einen Verkauf des LEC-Startplatzes an einen interessierten Käufer", so das Statement weiter. "Nach aktuellem Stand sind jedoch noch keine Entscheidungen getroffen worden, auch durch einen Abstieg sind wir nicht notwendigerweise gezwungen, den Platz zu verkaufen." Auch im Statement wird nochmals auf die Langzeit-Vorteile hingewiesen, welche eine Teilnahme an der Liga mit sich bringen würden, dennoch "gibt es mögliche zukünftige Szenarien, in welchen ein Verkauf notwendig für die Stärkung des Kerngeschäfts Fußballs sein kann."