In den USA sagt man „Either you run the day, or the day runs you.“ Michael Raffls Prinzipien zielten bis auf eine Ausnahme, also dessen Trade nach Washington im April, auf Ersteres ab. Er bestimmte in der NHL selbst, wo es lang geht. In beiderseitigem Einvernehmen lag seine Bestimmung acht Saisonen lang bei den Philadelphia Flyers. Im beinharten, US-amerikanischen Profi-Eishockey ist das trotz seiner Vielseitigkeit für einen Rollenspieler nicht alltäglich.

In knapp einem Monat wird sich zeigen, wohin der Weg des 32-Jährigen führt. Nach dem Expansion Draft für Seattle Kraken (Raffl kann als Free Agent nicht ausgewählt werden), öffnet unmittelbar nach dem NHL-Draft (23. und 24. Juli) das Transferfenster (28. Juli). Der dann vertragslose Villacher rechnet aber damit, weiterhin in der „Show“ zu spielen. „Es wird sich etwas finden“, zeigt sich Raffl optimistisch. Die Kernaufgabe dürfte weiterhin seine bekannten Qualitäten hinsichtlich Kadertiefe (Checks, Schüsse blocken, Gegentore verhindern, eigene Torjäger entlasten) bilden.

Dass der diesjährige heiße Stanley-Cup-Anwärter Washington sogar den damals verletzten Raffl verpflichtet hatte, beweist umso mehr, dass die NHL-Teams bei Verpflichtungen ihr Hauptaugenmerk nicht nur nach Toren oder Assists richten (wo der Stürmer heuer allerdings mit lediglich elf Scorerpunkte aufgeschienen ist). Raffl: „Es gibt bereits Interessenten. Namen darf ich klarerweise keine nennen. Mein Ziel ist es, noch zwei Jahre in der NHL zu spielen.“

"Spieler mit großem Herz"

Sein Capitals-Gastspiel beendeten die Boston Bruins in der ersten Play-off-Runde. Und zwar klar (Serie: 4:1). „Leider haben wir nicht geschafft, was wir uns vorgenommen haben. Aber für mich war es nach dem ersten Schock eine richtig gute Erfahrung – im Nachhinein betrachtet. Ich habe mich wohlgefühlt, wir hatten ein gutes Team, eine tolle Organisation und Typen wie Alexander Ovechkin, die außerordentliche Spieler sind, aber auch ein richtig großes Herz haben. Es war eine super Zeit“, schwärmt Raffl. Ob es dann nicht naheliegt, gleich in Washington zu bleiben? „Mein Wunsch wäre in erster Linie bei einer guten Mannschaft zu spielen, wo ich weiß, dass ich Chancen habe zu gewinnen. Auch wenn man es mir vielleicht nicht glaubt: Ich denke weniger über die nächste Saison nach, als man glaubt.“

Und wie ein Plan B aussehen könnte? „Für mich gibts nur Plan A und sollte es mit ihm nicht klappen, geht Plan A trotzdem auf“, meint der Familienvater kryptisch und verschmitzt lächelnd. Endgültig abgebrochen hat er bereits seine Zelte in Philadelphia. „Mein ganzes Hab und Gut liegt in einer Lagerhalle. Bis ich weiß, wohin die Reise geht. Die Familie wäre selbstverständlich ebenfalls dabei“, stellt Raffl klar.

NHL-Karriere hat Vorrang

Nicht an allererster Stelle dürfte für den Villacher hingegen ein möglicher Einsatz mit dem Nationalteam stehen. Team Austria bekommt es Ende August bei der Olympia-Qualifikation in Bratislava mit Slowakei, Weißrussland und Polen zu tun. Mit Teamchef Roger Bader, der vergangene Woche den NHL-Profi in seiner Heimatstadt getroffen hatte, habe es aber ein konstruktives Gespräch gegeben.

„Wir befinden uns mit unseren Ansichten auf einer gemeinsamen Ebene. Ich bin in der Vergangenheit immer für das Team parat gestanden. Aber jetzt muss meine Karriere mit meinem vielleicht letzten NHL-Vertrag den Fokus bilden. Erst wenn all das geklärt ist, werde ich eine Entscheidung treffen“, bekräftigt der Villacher, der sich wie immer im Sommer mit seinem bewährten Fitness-Coach Zsolt Zakarias auf die nächste Saison vorbereitet. Und auch da lautet das Motto meistens: „You run the day“.