In der NHL herrscht eine akkurate Kleidervorschrift. Die Uniformen auf dem Eis lassen ohnehin keine Diskussionen zu. An Spieltagen ist aber ebenfalls Eleganz gefragt. Anzug, Hemd, Krawatte – Extrovertierte greifen zur Fliege. Ab sofort haben also nicht Stöcke und Kufen der Eis-Artisten Hochsaison, sondern auch Nadel und Zwirn der Schneider. Maßanfertigungen geschehen jedoch nicht aus Dekadenz. Die muskelbepackten Kolosse haben den ganzen Sommer über an ihrer Körpermasse gearbeitet. Vorsorglich. Denn wenn der Grunddurchgang zu Ende ist, sind sie um fast zehn Kilogramm leichter.

An diesem exklusiven Abnehmprogramm mit 82 Spielen dürfen jedoch nur noch zwei Österreicher teilnehmen. Michael Raffl (Philadelphia Flyers) und Michael Grabner (Arizona Coyotes). Zwei Villacher, die Jahr für Jahr respektvoll mit diesem Privileg, Teil der Millionenliga zu sein, umgehen. Ein Journalist aus dem Flyers-Umfeld etwa verglich Raffls Auftreten in der Vorbereitung mit der Demut eines Jungen. Und Routinier Grabner, Trainingskonsequenz in Person, verrät, dass er vor jedem Leistungstest nervös sei. „Vielleicht ist das ein Grund, warum wir noch hier sind“, meint der 31-Jährige, der am Samstag Geburtstag feiert.

Dem langjährigen NHL-Trio aus Österreich ist jedoch der wichtigste Mann abhandengekommen. Thomas Vanek, der wohl größte Eishockeyspieler, den das Land jemals hervorgebracht hat, steht nach wie vor ohne Vertrag da. 14 Jahre war er ein Teil der „Show“, jetzt ist es still. Nicht einmal Gerüchte um ihn kursieren. Es deutet alles darauf hin, dass es wohl in Richtung Karriereende hinausläuft. Bei 1098 Partien (394 Tore, 431 Assists) in der besten Eishockey-Liga der Welt dürfte der Zähler endgültig stoppen.

Vorerst zu Ende ist auch der Ausflug von Manny Viveiros als NHL-Co-Trainer (Edmonton Oilers), der Ex-Teamchef kehrte zurück in die NHL-Kaderschmiede WHL (Spokane Chiefs). Ein Comeback unter den Anzugträgern feierte hingegen der legendäre VEU-Feldkirch-Trainer Ralph Krüger. Der 60-Jährige soll Buffalo Sabres dahin gehend motivieren. Sehnlichst wird auf einen Erfolg gewartet, wie es unter Vaneks Mitwirkung 2007 beinahe passiert wäre. Nur knapp blieb damals der Einzug ins Finale verwehrt.

Vor dem großen „Face-off“, dem Eröffnungsbully, wie der Saisonstart in Nordamerika genannt wird, bestimmten andere Themen das Geschäft. Der Eklat um Auston Matthews etwa, der einer Sicherheitsangestellten seinen nackten Hintern präsentierte. Aufsehenerregend waren Vertragsverlängerungen wie insbesondere jene von Mitch Marner, Joe Thornton, Patrik Laine. Oder dass der Lock-out 2022 vorerst mit Brummen und Murren (von Teambesitzern wie Spielergewerkschaft) abgewendet werden konnte. Die Eishockey-Weltmeisterschaften 2022, 2023 und 2024 werden übrigens auf Eisflächen mit NHL-Maßen ausgetragen. Und von Trainer Mike Babcock wird zudem gefordert, heuer mit der Startruppe der Toronto Maple Leafs langsam mehr als nur den Play-off-Einzug zu schaffen. Zu den Titelaspiranten zählen auch Tampa Bay, Las Vegas oder Titelverteidiger St. Louis Blues.

Apropos Erwartungen. Die der beiden NHL-Österreicher (beide Vertrag bis 2021) lauten ähnlich: erstmaliger Play-off-Einzug. „Wir haben ein paar neue Jungs dazubekommen, die uns sicherlich weiterhelfen. Wir sind als Mannschaft nun tiefer aufgestellt. Mit Carter Hart verfügen wir über einen richtig guten Tormann. Nach der Preseason ist es immer schwierig, Prognosen abzugeben, weil wir bislang noch nie mit einer kompletten Mannschaft gespielt haben, aber ich bin optimistisch“, lässt Raffl wissen, der mit Alain Vigneault einen neuen Trainer erhalten hatte. „Er ist der Richtige für dieses Team“, meint Grabner, der unter Vigneault bei den New York Rangers neue Höhenflüge erreicht hatte. Die Nummer 40 darf sich mit seinen Coyotes auf namhafte Verstärkung freuen. Phil Kessel soll für neue Durchschlagskraft sorgen.

Weil die Saison erst im Frühsommer endet, könnte der 26. Juni 2020 für Österreichs Eishockey ein magisches Datum werden. Im NHL-Draft wird der Vorarlberger Marco Rossi ganz vorne mitmischen. Der 18-jährige Center bereitet sich bei Ottawa 67’s (OHL) auf diesen Tag vor. Einen schmucken Anzug hat jedenfalls auch er sich je schon besorgt. Vorsichtshalber.

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