Die Zeit stand für einen Augenblick still, wenn Adam Comrie aus der Kabine trat und an Journalisten vorbeischlenderte. Aus seinem Gesicht war nicht abzulesen, wie soeben das Spiel des KAC geendet hatte. Eishockey war sein Leben, aber Sieg oder Niederlage dafür nicht entscheidend. Der großgewachsene Verteidiger war eben anders, ein Typ. Nun ist er tot. Gestorben an den Folgen eines Verkehrsunfalls in den USA.

Im Sommer 2018 wurde von den Rotjacken ein Transfer vermeldet: Adam Comrie sollte nach vielen Jahren mit mehr Härte in der eigenen Zone für Stabilität vor dem Tor sorgen. Er galt als Schnäppchen auf dem Spielermarkt und sollte sich Monate später als Goldgriff erweisen.

Comrie machte sich ligaweit schnell einen Namen, wurde von Kontrahenten aufgrund seiner Kompromisslosigkeit gefürchtet. Vor dem Tor und in den Ecken. Der 1,95-Meter-Mann wusste, dank seiner Erfahrung aus den nordamerikanischen Ligen, seinen Körper gezielt einzusetzen. In einer zunehmend zahnlosen heimischen Eishockey-Liga stach der Hüne hervor und war damit vielen ein Dorn im Auge. Sein knallharter Schuss sowie ein unbändiger, manchmal übermotivierter Offensivdrang sorgte für Staunen.

Das Premierenjahr beim KAC sollte die stärkste Saison seiner gesamten Karriere werden. 50 Partien, 42 Scorerpunkte bei satten 129 Strafminuten - und das sogenannte Championship-Winning-Goal, das Tor zum 31. Meistertitel des KAC in der Verlängerung von Spiel 6 gegen die Vienna Capitals in Klagenfurt als Zuckerguss obendrauf.

Sein Trikot mit der Rückennummer 44, für wohl jeden Eishockey-Fan eine unbezahlbare Devotionalie, verschenkte er noch in der Meisternacht an einen Polizisten. Und erhielt im Gegenzug eine Uniform. Eine Aktion des Adam Comrie in Reinkultur.

Eine von unzähligen weiteren Anekdoten: Als Comrie nach Klagenfurt übersiedelte, erstand er ein altes Waffenrad - genannt „The black panther“. Die Stadt und die Umgebung erkundete er radelnd - egal ob es stürmte, egal ob es schneite. Bekannte Gesichter grüßte er schon aus der Distanz, mit einem permanenten, unverkennbaren Lächeln. Und die Fans ließ er via Instagram an seinen Abenteuern und Ausflügen teilhaben.

Eine Kleine-Zeitung-Story über diesen Rotjacken-Freigeist wäre vor dem Play-off 2019 geplant gewesen. Unmittelbar nach dem Training zeigte er sich in Plauderlaune, erzählte über seine Kindheit, das Verhältnis zu seinen Eltern, was ihn inspiriert und was er halt so vom Leben hält. Wie immer sparte er nicht mit Wörtern wie „smooth“ oder „easy“. Man vereinbarte einen Drehtermin für ein Feature-Video, also eine Hintergrundgeschichte. Alles perfekt, alle freuten sich.

Zum besagten Tag kreuzte Comrie allerdings nicht auf, hob nicht am Telefon ab, reagierte nicht auf Nachrichten - kurz gesagt: er war abgetaucht. Selbst die Notfall-Option des KAC, es via Kumpel und Rotjacken-Torjäger Nick Petersen zu versuchen, blieb beim Ergebnis: Comrie war kurzzeitig verschollen - er hatte Besseres zu tun.

Nach dem nächsten Training begegnete man einander wieder in den Katakomben der Klagenfurter Stadthalle. Der Verteidiger tat so, als wäre rein gar nichts passiert, als hätte es nie eine Verabredung gegeben. Er entschuldigte sich auch nicht. Es umgab ihn einfach diese spezielle Aura, die verhinderte, ihm nachtragend zu sein. Was zudem an ihm faszinierte: Comrie war ein Mensch, der in zwei völlig verschiedenen Welten lebte. Dem strengen, disziplinierten Leben des Mannschaftssports einerseits und zum Anderen dem ewigen Streben nach Freiheit in allen Facetten. In einigen Off-Records-Gesprächen kam diese Diskrepanz, die ihn beschäftigte, immer und immer wieder zum Vorschein.

Unlängst verkündete der KAC, dass Comrie keinen neuen Vertrag mehr erhält. Auch das Waffenrad gab es nicht mehr. Vor wenigen Tagen postete er unter seinem Benutzernamen @theronaldralph hingegen auf Instagram Video-Ausschnitte. Comrie ließ die Reifen seines neuen Motorrads qualmen. Auf diesem starb er am 7. August. Und mit ihm ein raumfüllendes Lächeln. Comrie war kein lauter, und dennoch ist es seltsam still. Nicht nur für den KAC wird Adam Comrie immer in Erinnerung bleiben.