Die verwinkelten Räumlichkeiten mit Stuckdecken und hohen Holztüren sind vollgestellt mit Kostümen in Arbeit, seltsam anmutenden Fettanzügen und verschiedensten Accessoires. Überfüllte Kleiderstangen wohin das Auge reicht – und jedes Stück ist ein Unikat. Vom weich fallenden, bläulichen Kleid mit Empirenaht aus organza-ähnlichem Stoff, über den steif sitzenden, schwarzen Anzug bis zum noch nicht vollendeten Barockkleid für die nächste Aufführung reichen die Kreationen.

Von außen recht unscheinbar, verbergen sich hinter einem Torbogen nahe dem Grazer Dom die Kostüm- und Dekorationswerkstätten von „art + event“. Über mehrere Stockwerke erstrecken sich unter anderem eine Damen- und Herrenschneiderei, eine Schuhmacherei und ein Stofflager.

Claudia Goll, die Leiterin der Kostümwerkstatt, behält den Überblick über das vermeintliche Durcheinander. Rund 40 Personen arbeiten hier auf fast 4000 Quadratmetern. Corona habe den Betrieb zumindest finanziell nicht allzu hart getroffen, Flexibilität sei in dieser Branche wichtig, meint Goll.

In der Modisterei entstehen Kopfbedeckungen unterschiedlicher Art
In der Modisterei entstehen Kopfbedeckungen unterschiedlicher Art © Luca Heuserer

Das Unternehmen führte unter anderem Gruppenteilungen in den Werkstätten ein und stellte auf digitale Konferenzen um. Die Krise beschleunigt den Online-Trend aber noch weiter: Eine Digitalisierung des Kostümfundus, der mehr als 150.000 Teile umfasst, ist angedacht.

Dieses Jahr wird der Betrieb aufgrund der nun wiederaufgenommen Theaterproduktionen auch über den Sommer fortgesetzt. Eine vollständige Absage sämtlicher Premieren, wie durch Corona, sei so noch nie dagewesen, erzählt Goll.

Blick in den Kostümfundus, der mehr als 150.000 Teile umfasst
Blick in den Kostümfundus, der mehr als 150.000 Teile umfasst © Luca Heuserer

Zwar wurde Kurzarbeit eingeführt, zu Entlassungen sei es aber nicht gekommen. Fachkräfte seien wertvoll, fünf bis sechs Jahre dauert es, neue Mitarbeiter einzuschulen. Diese umfassenden Kenntnisse seien es auch, die „art + event“ international einen guten Ruf eingebracht haben. So hätten sich die heimischen Bühnen nicht zuletzt auch wegen der Pandemie wieder mit neuem Interesse Kostümen aus dem Inland zugewandt. „Erst nach so einer Erfahrung merkt man, wie praktisch ein Unternehmen in der Nähe ist, selbst wenn man dann einmal etwas mehr zahlen muss“, führt Goll aus.

„Fatsuits“ werden angefertigt, um Schauspieler dicker zu machen
„Fatsuits“ werden angefertigt, um Schauspieler dicker zu machen © Luca Heuserer

Bei „art + event“ werden Prototypen gefertigt – gut geplante, hochwertige Einzelstücke. Der Aufwand des anspruchsvollen Prozesses bis zum fertigen Kostüm, der sich von ersten Planungen und Kalkulationen über die Fertigung und Anproben bis hin zur Premiere und der Nachbearbeitung zieht, würde oft nicht wertgeschätzt, so Goll.

Das Stofflager
Das Stofflager © Luca Heuserer

Zwischen deckenhohen Schuhregalen, einem Stofflager und zur Anprobe vorbereiteten Kostümen erhascht man manch faszinierenden Blick hinter die Kulissen der Theaterwelt. Die Pandemie mag die Branche hart getroffen haben, doch das Kostümschneider-Handwerk lebt weiter und die Hoffnung ist da, mit den Öffnungen die Kostüme auch bald wieder auf den Bühnen präsentieren zu können.