Es wäre "ein bisschen merkwürdig", sagte Djokovic, wenn die Situation nicht gelöst sei und man Turniere in China austrage. WTA-Chef Steve Simon hatte zuvor in einem CNN-Interview gesagt: "Wir sind definitiv dazu bereit, unsere Aktivitäten zu beenden, mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt." China gilt als wichtiger Standort vor allem für das Damen-Tennis. 2018 wurde das Saisonabschluss-Turnier der besten acht Spielerinnen des Jahres von 2019 bis 2028 an die chinesische Stadt Shenzhen vergeben und das Preisgeld von 7 Millionen US-Dollar auf 14 Millionen verdoppelt. Wegen der Coronavirus-Pandemie konnte in den vergangenen beiden Jahren allerdings nicht in China gespielt werden.

Peng Shuai hatte Anfang November im sozialen Netzwerk Weibo Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht. Seither ist die 35-Jährige nicht mehr öffentlich gesehen worden und gilt als verschwunden.

Auch Roger Federer zeigte sich besorgt. "Diese Nachrichten sind schon sehr beunruhigend. Ich hoffe, sie ist sicher. Die Tennisfamilie steht zusammen", sagte der Schweizer bei Sky Italia am Sonntag.

Nicht nur Tennis-Stars aus aller Welt, sondern auch die Politik bis zum Weißen Haus und die UNO haben den Druck auf die Offiziellen in China in den vergangenen Tagen kontinuierlich erhöht. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat sich "zutiefst besorgt" über den Fall Peng geäußert. "Wir schließen uns der Forderung an die Behörden der Volksrepublik China an, unabhängige und überprüfbare Beweise für ihren Verbleib und ihre Sicherheit vorzulegen", sagte am Freitag die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki.

Die französische Sport-Tageszeitung "L'Equipe" hat Peng Shuai in ihrer Samstag-Ausgabe Peng Shuai auf die Titelseite gehievt. "Wo ist Peng Shuai?" - mit den gleichen Worten als Hashtag wird seit Tagen u.a. auf Twitter auf die Situation aufmerksam gemacht. Der verantwortliche Chefredakteur Jean-Philippe Leclaire bekrittelt in einem Kommentar die "ohrenbetäubende Stille des IOC" und stellt die Frage, wie die Winterspiele am 4. Februar 'normal' eröffnet werden könnten, ohne dass über den Verbleib von Peng Shuai Klarheit herrscht.

Das Internationale Olympische Komitee lehnte es zunächst ab, den Fall expliziter zu kommentieren: Die Erfahrung zeige, dass ruhige Diplomatie die beste Möglichkeit biete, in solchen Fragen eine Lösung zu finden, hieß es in einer Mail an die Nachrichtenagentur AP. Zumindest IOC-Mitglied Dick Pound hat sich geäußert. "Wenn dies nicht sehr bald auf sensible Weise gelöst ist, könnte es außer Kontrolle geraten", meinte Pound. "Ob es bis zu einem Ausfall der Spiele eskalieren könnte, bezweifle ich, aber man weiß nie."

Am späteren Samstag gab es dann doch weitere IOC-Stellungnahmen: Zunächst äußerte sich die Athletenkommission des IOC ihre Besorgnis. "Gemeinsam mit der weltweiten Athletengemeinde ist die Kommission sehr besorgt über die Situation der dreimaligen Olympia-Teilnehmerin Peng Shuai", schrieb die Vorsitzende der Athletenkommission, Emma Terho, am Samstag auf Twitter.

Im Anschluss reagierte auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) erstmals. "Das IOC schätzt die von so vielen Athleten und Nationalen Olympischen Komitees geäußerten Bedenken. Wir begrüßen auch die Unterstützung der IOC-Athletenkommission für unseren stillen diplomatischen Ansatz", teilte ein Sprecher mit. Dies bedeute, dass man den offenen Dialog mit der olympischen Bewegung in China auf allen Ebenen fortsetzen werde.

Laut dem prominenten Staatsmedien-Journalisten Hu Xijin, Cheftredakteur der Global Times, sei Peng Shuai sicher und "frei" in ihrem eigenen Heim und werde sich "bald" an die Öffentlichkeit wenden. "In den vergangenen Tagen, ist sie frei in ihrem Zuhause gewesen und wollte nicht gestört werden. Sie wird sich bald öffentlich zeigen und auch an einigen Aktivitäten teilnehmen", schrieb Hu auf Twitter.

Pengs Vorwürfe gegen einen hohen Politiker waren übrigens rasch aus dem Internet entfernt worden, und das gesamte Thema ist seither von allen Sozialen Netzwerken im streng zensierten Internet Chinas verbannt.