In der Slowakei haben Samstagfrüh Parlamentswahlen begonnen, die eine politische Kehrtwende im Land bringen könnten. Der aktuellen Drei-Parteien-Koalition, geführt von der linksorientierten Smer-Sozialdemokratie (Richtung), droht dabei die Abwahl. Ein breites Bündnis aus neuen liberalen Parteien und rechtskonservativen Protestbewegungen könnte an die Macht kommen.

Rund 4,4 Millionen Wahlberechtigte können noch bis 22 Uhr die Zusammensetzung ihres neuen Parlaments für die nächste vierjährige Legislaturperiode bestimmen. Insgesamt bemühen sich 24 Parteien um die 150 Mandate, nur sieben bis acht davon haben laut jüngsten Umfragen reale Chancen, die Parlamentshürde von fünf Prozent zu überwinden.

Der Urnengang wird von vielen als die wichtigste Abstimmung seit 1998 in der Slowakei gesehen, als der autokratische Ministerpräsident Vladimir Meciar mit seiner HZDS von einem Bündnis demokratischer Parteien abgesetzt wurde. Heute scheint die Slowakei erneut am Scheideweg zu stehen.

Nach Journalistenmord

Nach dem Mord am Investigativ-Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten im Februar 2018 hatte tausende Slowaken auf den Straßen einen demokratischen Neustart ihres Landes gefordert. Die Mordermittlungen brachten ein wucherndes Korruptions- und Klientelismus-System zum Vorschein, nahezu täglich wurden Slowaken mit immer weiteren Enthüllungen über Mafia-Zustände konfrontiert. Die Hauptschuld wird von vielen der aktuellen Regierungskoalition zugeschrieben.

Umfragen nach dürfte die Smer von Ex-Premier Robert Fico einen fünften Wahlsieg in Folge verfehlen. Mit lediglich 15 Prozent in Umfragen könnte sie gut die Hälfte ihrer Wähler einbüßen und nur noch auf den zweiten Platz kommen. Ihre Koalitionspartner, die Slowakische Nationalpartei (SNS) und die Ungarnpartei Most - Hid, dürften an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und aus dem Parlament fliegen.

Gute Chancen für Protestparteien

Gute Erfolgsaussichten haben hingegen neugegründete liberale Gruppierungen sowie rechtskonservative Protestparteien. Gemeinsam könnten sie auf eine Parlamentsmehrheit mit fünf bis sechs Parteien kommen, die aber äußerst heterogen und daher unstabil wäre. An der Spitze dieses losen Bündnisses gegen die Smer sehen Umfragen inzwischen die Partei Gewöhnliche Menschen (Olano) des seit Jahren gegen korrupte Praktiken ankämpfenden Igor Matovic. Mit über 19 Prozent könnte die Olano als Sieger aus der Wahl hervorkommen.

Nutznießer der Proteststimmung im Land könnten aber auch noch die Rechtsextremisten von Marian Kotleba werden. Die seit 2016 im Parlament vertretene Volkspartei Unsere Slowakei (LSNS) galt lange als zweitstärkste Kraft im Land und Beobachter hatten gewarnt, die Smer könnte versuchen, sich mit ihrer Hilfe doch noch an der Macht zu halten. Der Zulauf zur fremdenfeindlichen LSNS dürfte aber schließlich nicht so hoch ausfallen, wie befürchtet.

Mit Spannung erwartet

Das Ergebnis der Wahl wird im Land mit viel Spannung erwartet. Die Wahlbeteiligung dürfte die knapp 60 Prozent der vorangegangenen Abstimmung übersteigen. Daraufhin deutet zumindest das erhöhte Interesse an der Briefwahl, das vier Mal so hoch sein dürfte wie 2016. Unter den nahezu 6.000 Wahllokalen in über 2.900 Gemeinden und Stadtteilen der Slowakei ist somit zum ersten Mal überhaupt ein ganz spezielles ausschließlich für die Briefwahl dabei.

Das slowakische Statistikamt wird kurz nach Wahlschluss anfangen, die Wahlergebnisse durchgehend auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Relevante Zahlen dürften am frühen Sonntagmorgen vorliegen, dass amtliche Endergebnis wird Sonntagnachmittag erwartet.