Wie aus dem am Freitag veröffentlichten Bericht hervorgeht, haben die RH-Prüfer für das Jahr 2016 Gesamtkosten in der Höhe von 7,9 Mrd. Euro für 452.688 Pflegebedürftige berechnet. Davon kamen rund 2,9 Mrd. Euro vom Bund und rund 2,1 Mrd. Euro von den Ländern und Gemeinden. 2,9 Milliarden Euro, das sind knapp 37 Prozent, wurden privat abgedeckt. Dazu zählten Eigenbeiträge, aber auch die mit Geld bewerteten privaten Pflegedienstleistungen, etwa durch Angehörige.

Der größte Anteil der 7,9 Mrd. ist den Pflegeheimen zuzurechnen (3,4 Mrd. Euro), gefolgt von der Pflege durch Angehörige (3,1 Mrd. Euro), mobilen Dienste (0,7 Mrd. Euro) und 24-Stunden-Betreuung. Diese schlägt mit 0,6 Mrd. Euro zu Buche. Der RH kritisiert hier, dass die Kosten sowie Herkunft und Verwendung der Mittel nicht systematisch erfasst wurden, aber auch, dass der Bund (unter anderem durch das Pflegegeld) mehr als die Länder zahlt, diese aber überwiegend die Pflegezuständigkeit innehaben.

Bezüglich pflegender Angehöriger, meist aus der Altersgruppe von 50 bis 64 Jahre, weist der RH darauf hin, dass derzeit das Verhältnis von Personen dieses Alters zu solchen ab 80 Jahren bei vier zu eins liegt. Bis 2060 werde sich dies drastisch ändern, nämlich auf nur noch 1,6 potenziell Pflegende pro Über-80-Jähriger/m. Zusätzlich sei die steigende Frauenerwerbsquote zu berücksichtigen.

Das Pflegeangebot müsse daher deutlich erweitert werden. Nötig wäre dazu eine bundesweit abgestimmte Bedarfsprognose sowie die Erarbeitung einer Gesamtstrategie zur Weiterentwicklung der Pflegedienstleistungen. Außerdem müsse ein nachhaltiges Finanzierungssystem entwickelt werden. Die Anforderungen aus Sicht des Rechnungshofs: Es brauche eine koordinierte Gesamtsteuerung und eine klare Zuordnung der Verantwortung sowie eine Schnittstelle zwischen Gesundheit und Pflege.

Auch Unterschiede in der Pflegeversorgung hat der RH erhoben. Während etwa im Bezirk Graz-Umgebung ein Pflegeheimplatz für rund drei Personen ab 80 Jahren zur Verfügung stand, gab es im Bezirk Krems-Land für rund 17 Personen dieser Altersgruppe nur einen Pflegeheimplatz. Eine große Bandbreite zeigt sich laut RH-Aussendung auch bei den Kosten: So wurden 2016 in Kärnten pro Tag für die stationäre Pflege 91 Euro verrechnet, in Wien hingegen 161 Euro. Ein Ausbau der Pflegeeinrichtungen auf Basis der Maximalwerte (Heimdichte je Bezirk und Kosten je Verrechnungstag) würde - berechnet für das Jahr 2030 - im Vergleich zu den Minimalwerten zu Mehrkosten in der Höhe von 3,5 Mrd. Euro führen.

Österreichweite Vorgaben, wie Heimtarife und Personalausstattung zu gestalten sind, fehlen, kritisiert der RH weiter. Außerdem gebe es keine österreichweit gültigen Qualitätsstandards für Pflegeheime, etwa was die Fachpflege, die Lebensqualität sowie die ärztliche und soziale Betreuung betrifft. Derzeit sei auch nicht klar, welches konkrete Leistungsniveau in welchen Pflegeeinrichtungen tatsächlich erwartet werden könne.

Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) verspürt durch den kritischen Rechnungshofbericht zur Pflege Rückenwind für seine Reformbestrebungen. "Wir haben jetzt die Chance auf einen großen Wurf, und der ist notwendig", sagte er in einem Pressegespräch. Vor allem in der Kritik an mangelnder Koordination der Akteure und der zersplitterten Finanzverantwortung sieht sich Anschober bestärkt.

"Dieser Bericht ist ein einziger 170-seitiger Aufschrei", sagte der Sozialminister, und zwar für eine Gesamtreform des Pflegesystems. Es gebe akuten Änderungsbedarf und Handlungsdruck, stärker noch als vor einigen Jahren, argumentierte er, warum es seiner Ansicht nach nun endlich funktionieren werde. Und selbstbewusst meinte er: "Jetzt haben Sie einen neuen Minister vor sich sitzen, der das wirklich angehen will und wird." Der RH liefere dafür "zentrale Unterstützung".

NEOS sahen sich am Freitag in ihrer anhaltenden Kritik am Pflegesystem vom Rechnungshof bestätigt. "Wir sehen hier einmal mehr: Österreich ist auf die demografischen Veränderungen in Bezug auf Pflege nicht ausreichend vorbereitet", sagte der pinke Angeordnete Douglas Hoyos. "Es gibt keine bundesweit einheitlichen Pflege-, Personalausstattungs- und Qualitätsstandards, nach denen der Bund die Länder refundiert", kritisierte er und forderte: "Hier muss sofort gehandelt werden."

Die SPÖ erklärte sich am Freitag bereit, selbst mitzuhelfen. "Das SPÖ-Konzept für kostenfreie, staatlich garantierte Pflege liegt seit Herbst 2018 am Tisch. Die Zeit sollte jetzt rasch genutzt werden, wir bieten gerne unsere Mitarbeit an", hielt Sozialsprecher Josef Muchitsch in einer Aussendung fest.