Der türkische Präsident erklärte sich grundsätzlich zu einem Vierer-Treffen mit seinen europäischen Bündnispartnern bereit. Der britische Premierminister Boris Johnson habe ein Treffen mit ihm, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sowie dem französischen Staatschef Emmanuel Macron vorgeschlagen, sagte Erdogan am Dienstag in Ankara vor seinem Abflug nach Russland. "Ich habe ihm gesagt, so ein Treffen wäre möglich, aber unter einer Bedingung: Dieses Treffen kann in Istanbul, Sanliurfa oder Gaziantep, also in einer unserer Städte stattfinden", sagte Erdogan.

In Sotschi trifft sich Erdogan mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin, um über die Entwicklungen in Syrien zu beraten. Die Türkei hatte am 9. Oktober im Norden Syriens eine Offensive gegen die YPG begonnen, die sie als Terrororganisation betrachtet. Nach vorbereitendem Bombardement drangen auch syrische Bodentruppen und verbündete Milizen in das Nachbarland ein. Am Donnerstag hatte US-Vizepräsident Mike Pence nach Gesprächen in Ankara eine Waffenruhe von fünf Tagen zwischen den Konfliktparteien verkündet, die an diesem Dienstag um 21.00 Uhr MESZ abläuft.

Die Feuerpause soll den Kurdenmilizen Gelegenheit geben, sich aus dem Gebiet auf der syrischen Seite der Grenze zurückzuziehen, in dem die Türkei eine von ihr so genannte Sicherheitszone errichten möchte. Erdogan sagte, der Rückzug der YPG dauere noch an.

Unklar ist nach wie vor, ob alle Parteien über das gleiche Abzugsgebiet sprechen. Für die Kurdenmilizen gilt der Rückzug nur für die Region zwischen den Städten Ras al-Ain und Tall Abyad. Erdogan betonte erneut, dass er ein Gebiet von 32 Kilometern Tiefe und 444 Kilometern Länge "vollständig" von "Terrororganisationen säubern" wolle.

Die Militäroffensive der Türkei stößt international auf scharfe Kritik. Ankara wurde dabei weder von der syrischen Regierung um Hilfe gebeten noch erteilte der UN-Sicherheitsrat ein entsprechendes Mandat. Die Türkei begründet deshalb den Einmarsch mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Der wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages kommt aber zu dem Schluss, dass der Einmarsch im Widerspruch zum Völkerrecht stehe.

Führende EU-Abgeordnete haben unterdessen wirtschaftliche Sanktionen gegen die Türkei wegen des Militäreinsatzes in Nordsyrien gefordert. "Solange die Türkei dieses aggressive Verhalten an den Tag legt, müssen wir auch über Konsequenzen, auch wirtschaftliche Konsequenzen reden", sagte der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), am Dienstag im Straßburger EU-Parlament.

Angesetzt werden könne etwa beim Zugang zum europäischen Binnenmarkt für die Türkei und deren Mitgliedschaft in der Zollunion, sagte Weber. Die Chefin der Sozialdemokraten, Iratxe García, beklagte, dass beim EU-Gipfel vergangene Woche keine "konkreten Maßnahmen" beschlossen worden seien. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten hatten die türkische Offensive in Nordsyrien bei dem Treffen in Brüssel vergangene Woche verurteilt und deren Ende gefordert.