Die Spannung steigt: Morgen entscheiden die US-Bürger, wer die nächsten vier Jahre im Weißen Haus sitzen wird. Die Auswirkungen der Entscheidung könnten gewaltig sein: Joe Biden und Donald Trump stehen nicht nur für einen großen Unterschied im Stil ihres Auftretens. Sie verkörpern auch sehr unterschiedliche Ziele. Welches Amerika möchten sie erschaffen? Hier ihre politischen Anliegen im Überblick.

Donald Trump

Sein Programm für die nächsten vier Jahre kann man eigentlich auf eine einfache Formel reduzieren: Trump bleibt Trump – das heißt, er will bei einem Wahlsieg seinen bisherigen Kurs noch ausbauen. Beobachter gehen davon aus, dass er eine Wiederwahl als Ermutigung verstehen würde, auch umstrittene Vorhaben wie einen Ausstieg aus der Nato doch noch umzusetzen. Für die Europäer würde das eine Erschütterung ihrer Sicherheitspolitik und der Nachkriegsordnung bedeuten.

Trump steht für „America first“ und Isolationismus: Mit internationaler Zusammenarbeit oder Organisationen wie der UNO hat er nichts am Hut. Er erlebt sie als Einschränkung seiner Handlungsmöglichkeiten.

Auch beim Kampf gegen den Klimawandel müsste Europa die USA unter Trump abschreiben: Auf einer Liste des Weißen Hauses mit mehr als 50 Errungenschaften rechnet Trump sich zugute, aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen zu sein. Auf seiner Erfolgsliste wirbt Trump damit, dass die Ölproduktion ein Allzeithoch erreicht habe. Seine Regierung weitete den Stopp von Offshore-Bohrungen rund um Florida aus, erlaubte zugleich aber Öl-Förderung in einem Naturschutzgebiet in Alaska. Zu den Waldbränden in Kalifornien sagte Trump, er denke, das Klima werde sich wieder abkühlen, „die Wissenschaft weiß nicht alles“.

Was die Corona-Krise anbelangt, ist anzunehmen, dass Trump das Virus voranschreiten lässt wie bisher. Einen Lockdown lehnt er ab. In der Gesellschaftspolitik ist eine weitere Verhärtung der Fronten zu erwarten: Trump konnte auch nach der jüngsten Polizeigewalt gegen Afroamerikaner keinen systematischen Rassismus erkennen. Obamacare, das Gesundheitssystem, das auch Ärmeren zugute kommt, lehnt er ab.

Trump reklamiert für sich, "die größte Wirtschaft in der Geschichte" geschaffen zu haben, unter anderem durch niedrigere Steuern - vor allem für die Besserverdiener. "Wir haben Amerika wieder reich gemacht", sagt er und verweist auf einen Anstieg der Aktienkurse, während viele Amerikaner nach wie vor in zwei oder drei Jobs arbeiten, um über die Runden zu kommen.

Joe Biden

Eigentlich ging man lange davon aus, dass Joe Biden vor allem für eines stehe: für den Wunsch, die Dinge wieder in die Zeit vor Donald Trump zurückzudrehen. Schließlich hatte Biden unter Trump-Vorgänger Barack Obama das Vize-Präsidentenamt inne; viel des damals Erreichten wurde von Trump bekämpft oder abgeschafft.

„An Tag eins meiner Präsidentschaft rufe ich unsere Verbündeten in der Nato an und sage ihnen: Wir sind zurück. Ihr könnt euch wieder auf uns verlassen,“ versprach Biden im Wahlkampf. Sollte Biden gewinnen, hätten die Europäer in Washington wieder einen Ansprechpartner, der an Partnerschaft interessiert ist.

„An Tag eins werde ich außergewöhnliche Schritte einleiten, um die Welt zu vereinen und sich der Klimakrise zu stellen“ – inklusive Rückkehr ins Paris Klimaabkommen, sagt Biden weiter. Ob sich das wirklich alles am ersten Tag ausgehen wird, bleibt abzuwarten. Dem 77-Jährigen werden mittlerweile aber auch kräftige Reformschritte zugetraut: Im zweiten TV-Duell erklärte er, dass er die Vereinigten Staaten aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen führen und stattdessen stärker auf erneuerbare Energien setzen wolle – viele hoffen gar auf einen „Green New Deal“ unter Biden.

Dass es in den USA Rassismus gebe, der in den Institutionen verankert sei, ist für Biden unübersehbar. Er will mit einer Polizeireform und besseren wirtschaftlichen Bedingungen für Schwarze gegensteuern. Zudem plant er einen Gesetzesentwurf für schärfere Waffenkontrollen.

Unabhängig von den inhaltlichen Unterschieden steht Biden für einen versöhnlicheren Stil als Trump. Den wird er auch brauchen: Biden will ein Amerika, das zusammenhält – das bedeutet, er muss einen Weg finden, die Globalisierungsverlierer, die Trump wählten, aus der Isolation und zurück ins Boot zu holen.