Die Gänge im Bayerischen Hof in München sind einmal im Jahr so gestopft voll, dass sie an eine Tokioter U-Bahn erinnern. Es kann einem schnell passieren, dass der Ärmel neben einem zum ehemaligen australischen Premierminister Kevin Rudd gehört. Oder zum Terrorexperten Peter Neumann. Den Ärmel vom russischen Außenminister spürt man in der Regel nicht, aber sicher den seiner Bodyguards, Assistenten und vielleicht eines Amtskollegen, der mit dem Chefdiplomaten des Kremls gerade zu einem Hinterzimmergespräch eilt. Sie alle müssen durch den Gang und so stehen auch viele Journalisten, Geheimdienstler, Wissenschaftler, militärstrategische oder sicherheitspolitische Analysten auf dem Vorplatz der Weltpolitik und warten auf ein Gespräch.

„München ist das Juwel in der Krone der weltweiten Sicherheitskonferenzen“, lobte Anders Fogh Rasmussen vor einem Jahr. Der frühere Generalsekretär der Nato gehört wie all die Vorgenannten zu den Dauergästen. Zur diesjährigen Konferenz zwischen 14. und 16. Februar hat sich erstmals ein hochrangiger Vertreter aus Nordkorea angesagt, auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg will sich das Spektakel zum ersten Mal geben. Und all das, weil der deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger aus einer ehemaligen Wehrkundetagung eine Art Mini-UNO gemacht hat. Während Davos klein und fein und etwas auf Show getrimmt ist, sammelt München die hochrangigen Gäste wie Briefmarken. Aber nicht die billigen vom Postcounter, sondern die teure Sammlung inklusive der Blauen Mauritius. Sie müssen kommen, gerade in Krisenzeiten.

Der Kniff sind die Podien, die manchmal delikat, oft hochrangig und immer mit neuen Impulsen beladen sind, während man sich danach, davor oder währenddessen in intimen Runden informell austauschen kann. München und speziell der Bayerische Hof bieten dafür ein anheimelndes Bier-und-Brezel-Ambiente. Das Hofbräuhaus ist in Fußweite und nicht selten trudeln am Abend dort illustere Zirkel ein, die dann die Touristen zum Zücken ihrer Handys veranlassen. Es wird aber nicht nur locker oder ernst geplaudert. In München wurden oft auch schon Weichen gestellt. Wladimir Putin stellte in einer Rede 2007 seine künftige Außenpolitik für alle sichtbar in den Raum. Vom Westen noch weitgehend missverstanden, gilt sie heute als Wendepunkt für die neue Stärke des Riesenreiches. 2019 kam es zu einem Rededuell zwischen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem US-Vizepräsidenten Mike Pence über transatlantisches Vertrauen. Der Minsker Prozess zur Vermittlung im Ostukraine-Konflikt wurde in München angeschoben und mehrfach neu belebt. Auch andere Konfliktpartner finden bei der Konferenz einen Gesprächsboden, für den sie sonst nirgends eine Bühne finden.

Dazwischen tummeln sich Sicherheitsfirmen, Militärs und Militärberater sowie Firmenchefs von Tech- und Internetfirmen, die über Cyber Security und die Bedrohung aus dem Netz diskutieren oder auch nur informieren. Im Vorgarten der Alpen hat sich ein großes Netz geknüpft, das weltweit Zugkraft gewonnen hat. Vieles hängt dabei an Wolfgang Ischinger. Der Botschafter vermittelte einst bei den Balkankriegen und gilt als Meister des Spiels zwischen Diskretion, klaren Worten und charmanter Überzeugungskraft. Der Clou dabei: Die Konferenz ist heute privat organisiert und keine Regierungsveranstaltung, wird aber von der Bundesregierung nach allen Kräften unterstützt. Mittlerweile ist die Konferenz ein wertvolles Unternehmen mit Unter- und Nebenveranstaltungen.