Frau Hofer, Sie sind die erste weibliche Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend. Was wollen/ können Sie anders machen als männliche Vorsitzende?

SUSANNE HOFER: Ich glaube, das hat gar nicht so sehr mit dem Geschlecht zu tun als damit, wo ich herkomme, der Lebenshilfe, einem ganz anderen Bereich als meine Vorgänger. Ich bin Schulassistentin, habe die Kids begleitet, sodass sie so selbständig wie möglich ihren Alltag bewältigen können. Da macht man andere Lebenserfahrungen als in einer Metallerbude. Das heißt nicht, dass das besser oder schlechter ist, aber man hat einen anderen Fokus. Man weiß, dass es vielen nicht gut geht. Ich setze mich mit meinem ganzen Herzblut für diese Menschen ein.

Sie sind im ÖGB für die Lehrlinge zuständig. Wo brauchen diese am meisten Unterstützung?

Man sagt immer, das Image der Lehre gehört verbessert, aber da gehört vieles dazu, nicht nur ein paar kleine „Reparaturen“. Es braucht Investitionen in die Berufsschulen, mehr Geld für überbetriebliche Lehrwerkstätten, daher kämpfen wir für die „Fachkräftemilliarde“: Betriebe, die nicht ausbilden, sollen einzahlen, Betriebe, die ausbilden wollen, sollen etwas herausbekommen, ebenso die Berufsschulen und die überbetrieblichen Lehrwerkstätten.

Wie viel sollen die Betriebe, die nicht ausbilden, zahlen?

Ein Prozent der Bruttojahreslohnsumme. Wir haben die Lehrlingsausbildung in den letzten Jahren vernachlässigt. Die Betriebe sagen jetzt ja selbst, dass sie mehr Fachkräfte brauchen und wollen. Das ist wie daheim in der Küche: Wenn man nix einkauft und den Kühlschrank nicht befüllt, dann bleibt er leer. Wir müssen den Lehrlingen etwas bieten, zum Beispiel den Rechtsanspruch auf die Möglichkeit, Matura zu machen, in manchen Branchen den Gratis-Führerschein. Wir müssen die Berufsschulen modernisieren, der Overhead-Projektor ist dort oft das Modernste, was es im Klassenzimmer gibt.

Sie treten auch für die kostenlose Meisterprüfung ein. Was kostet die denn derzeit?

Da geht es uns  darum, soziale Unterschiede auszugleichen. Die Kurse kosten 3000 bis 5000 Euro, eine Friseurin zum Beispiel muss da schon lange darauf sparen.

Bei Fridays for Future sind Sie an der Seite der Schüler mitmarschiert, wieso waren Sie als Arbeitnehmervertreterin gleich an der Seite der Bewegung?

Wir hatten ja die letzten zwei Jahre diesen Kampf um den Jugendvertrauensrat, den Kampf um die Mitbestimmung, den wir letztlich gewonnen haben. Fast 3.000 Jugendvertrauensräte gibt es in ganz Österreich in den Betrieben. Die SchülerInnen haben auch dafür gekämpft, dass sie mitbestimmen wollen, da war für uns gleich klar, dass wir mitmachen, dass wir in den Betrieben auch ein Bewusstsein für das Anliegen schaffen müssen. Und ich war damals in Brüssel, da gab es ein riesiges Plakat der europäischen Gewerkschaft, auf dem stand: „Auf einem toten Planeten wird es auch keine Arbeitsplätze geben.“ Wir müssen die Jungen unterstützen, wenn uns auffällt, dass von den Älteren etwas verschlafen wird!

Wie viele Lehrlinge erreichen Sie mit Ihren Aktivitäten?

Wir haben 140.000 Mitglieder unter 30, ich habe schon das Gefühl, dass die alle mitbestimmen wollen, auch über die sozialen Medien. Wir haben seit zwei Jahren wieder stark steigende Jugendmitgliederzahlen, wir sind wir wieder gut dran an den Lehrlingen.

Sie selbst bedienen sich oft einer kräftigen Sprache. Bei einer Großdemonstration gegen die Abschaffung der Jugendvertrauensräte in den Betrieben sagten Sie: „Einen Finger könnt ihr uns brechen, eine Faust nicht!“ Braucht man so starke Worte, um gehört zu werden?

Das ist meine Leidenschaft, mein Herzblut. Ich hasse Ungerechtigkeit. Wenn mir was unter den Nägeln brennt, muss es raus. Ich will, dass es den Lehrlingen genauso gut geht wie anderen. Wenn da die Mitbestimmung eingeschränkt werden soll, dann ist das etwas, was ich nicht verstehen will und kann, da braucht es klare Worte!

Kürzlich sagte mir ein Gewerkschafter: Die Wirtschaft sitzt am Tisch der Regierung, die Sozialpartnerschaft ist tot. Ist sie das?

Wir sitzen nicht mehr mit den gleichen Leuten am Tisch wie vor einigen Jahren. Die Augenhöhe müssen wir uns erst wieder erkämpfen. Die Sozialpartnerschaft ist gerade im Koma, aber sie hat noch eine Chance, sie muss eine Chance haben. Es geht ja um etwas, um unseren Sozialstaat, um die Arbeitnehmerinnen und ihre Rechte.

Die SPÖ ist in der Krise und man hätte vermutet, es könnte helfen, stärker die Stimme der Arbeitnehmer zu werden, jemanden aus der Gewerkschaft an die Spitze zu setzen, aber keiner meldet sich. Warum eigentlich?

Wir reden darüber intern, aber ich bin nicht in der Position, dazu öffentlich etwas zu sagen.