Die Bundesregierung unter Führung des neuen Bundeskanzlers Alexander Schallenberg will angesichts des dramatischen Anstiegs der Corona-Infektionen die Daumenschrauben weiter anziehen. In einer abendlichen Sitzung im Bundeskanzleramt, zu der die Landeshauptleute virtuell zugeschaltet waren, haben Schallenberg, Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger einen neuen Fünf-Stufen-Plan vorgestellt. Der späte Beginn des Treffens ist dem Brüsseler EU-Gipfel geschuldet, dem der neuen Bundeskanzler erstmals beigewohnt hat. Ob auch Schallenbergs Amtsvorgänger Sebastian Kurz, der im Sommer die Pandemie für beendet erklärt hatte, sich zu solchen drastischen Schritten durchgerungen hätte, bleibt offen.

Die aktuelle Prognose geht von einem signifikanten Anstieg der 7-Tages-Inzidenz aus, der zu einer entsprechend höheren Intensivbetten-Auslastung führen wird. Unterm Strich heißt das: Das Risiko des Erreichens der Auslastungsgrenze ist gegeben, wenn auch noch nicht rasend hoch. Am 3. November könnte Niederösterreich mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent, Salzburg und Vorarlberg mit einer Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent und Wien mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn Prozent den Schwellenwert von 30 Prozent überschreiten. In allen anderen Bundesländern ist das aus heutiger Sicht unwahrscheinlicher.

Lockdown für Ungeimpfte

Der Fünf-Punkte-Plan sieht in der letzten Kategorie einen Lockdown für Ungeimpfte vor. Voraussetzung ist, dass auf den Intensivstationen mehr als 600 Betten mit Covid-Infizierten belegt sind. Derzeit liegen 224 Personen auf den Intensivstationen, zuletzt hatte Österreichs Gesundheitssystem am 11. April die Schwelle von 600 Covid-Betten (611) überschritten.

Konkret heißt es für Ungeimpfte, dass sie ihren privaten Wohnbereich dann nur noch für die Arbeit, den täglichen Bedarf, die Betreuung von pflegenden Angehörigen, den Besuch von Ärzten oder Spitälern verlassen dürfen. Der Hintergedanke liegt auf der Hand: Auf diese Weise sollen Ungeimpfte zur Impfung gedrängt werden, Österreich liegt mit einer Durchimpfungsrate von etwas mehr als 60 Prozent bei der Impfquote im europäischen Durchschnitt im hinteren Mittelfeld.

Stufe vier nur für Ungeimpfte

Neu ist, dass die dritte Stufe ab 400 Intensivbetten aktiviert wird, die 2,5-G-Regel (Geimpft, Genesen oder PCR-Test) dann überall dort gilt, wo bisher 3G gilt. Antigentests sind nicht mehr erlaubt. Die vierte Stufe wird ab 500 Betten aktiviert, dann haben nur noch Geimpfte oder Genese Zutritt.

In einer ersten Reaktion begründete Schallenberg die Verschärfungen wie folgt: “Wir sehen die Pandemie noch nicht in unserem Rückspiegel. Wir sind drauf und dran in eine Pandemie der Ungeimpften zu stolpern. Und das, obwohl wir über genügend Impfstoff verfügen, Impfstoff, der sicher ist, wirkt und vor einer schweren Erkrankung schützen soll.“ Allen ungeimpften Menschen müsse klar sein, dass auf ihren Schultern nicht nur die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit laste, sondern auch für die ihrer Mitmenschen. „Ich werde es als Bundeskanzler nicht zulassen, dass das Gesundheitssystem überlastet wird, weil noch zu viele Zögerer und Zauderer gibt, die sich noch nicht zu einer Impfung durchringen können. Noch haben wir es in der Hand das zu verhindern – daher mein dringender Appell: Lassen Sie sich impfen!“

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein ergänzt: “Wir alle planen unsere kommenden Wochen und Monate: Familie, Ferien, Schule, Weihnachtsfeiertage. Die Wirtschaft, insbesondere der Tourismus, plant die Wintersaison. Meine Aufgabe als Gesundheitsminister ist es, alle Menschen, die hier leben, zu schützen und dafür zu sorgen, dass das Gesundheitssystem funktioniert und Sie die beste Versorgung bekommen. Meine Aufgabe ist es aber auch, Ihnen ganz klar und deutlich zu sagen, was auf Sie zukommt. Die neuen Schritte betreffen vor allem Menschen ohne Impfschutz.“

Intensivbetten mit zusätzlichen Grenzen:

Auch kritische Stimmen

In der Sitzung wurden dem Vernehmen nach auch kritische Stimmen aus den Ländern laut. So drängte dem Vernehmen nach der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) aufs Tempo und nahm den Bund in die Pflicht, habe dieser doch vor dem Sommer die Pandemie für beendet erklärt. Er will 2G so schnell wie möglich breit einführen und analog zur in Wien schon lange geltenden Regel FFP2-Maskenpflicht in allen Geschäften.

Im Vorfeld waren die Länder nicht ganz einig gewesen, ob es im ganzen Land dieselben oder regionale Regelungen geben soll. Vor allem Vorarlberg und das Burgenland hatten für letzteres plädiert.

Wien für strengere Regeln

Im SPÖ-regierten Wien verwies man darauf, dass man bereits am Donnerstag klar kommuniziert habe, die strengeren Coronamaßnahmen in der Bundeshauptstadt weiter beibehalten zu wollen, berichtete das Ö1-"Mittagsjournal".

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ortete angesichts stagnierender Impfzahlen Handlungsbedarf, "es steigen die Fallzahlen exorbitant an". Er sprach sich auch dafür aus, in dieser Situation österreichweit gemeinsame Vorgaben zu machen, anstatt regional unterschiedlich zu agieren.