ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian beklagt, dass in der Corona-Pandemie mehr Geld an Wirtschaft und Landwirtschaft als für die Arbeitnehmer geflossen ist. Nun gilt es aus seiner Sicht, auch etwas für diese zu tun, z.B. über eine Erhöhung des Arbeitslosengelds.

Sieht er eine Gefahr, wonach als Folge der Corona-Krise die soziale Balance kippt? "Die ist schon gekippt", sagte Katzian in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag.  Nötig wäre für den ÖGB-Chef etwa eine Anhebung des Arbeitslosengeldes: "70 Prozent (Nettoersatzrate) ist immer noch wenig", meinte er zur entsprechenden Forderung der Gewerkschaft. 

"Es geht mir auf den Hammer", dass immer davon geredet werde, dass der Anreiz, arbeiten zu gehen, dann zu gering sei. "Wir haben 500.000 Arbeitslose. Die stehen vor den Trümmern ihrer Existenz, am Ende der Träume ihres Lebens. Da können viele auch ihre Verpflichtungen gegenüber ihrer Familie nicht mehr erfüllen!"

Kein Kuscheln, sondern Überlebenskampf

Diese Leute seien keine "Obizahrer", sondern ganz normale Menschen, die nur eines wollten, nämlich arbeiten: "Bei 500.000 Menschen wird es beim Kuscheln in der Hängematte schon eng."

Es geht ihm bei dieser Forderung ja nicht darum, irgendwen zu ärgern, sondern "da geht es, zusammen mit der fast halben Million Menschen, die noch in Kurzarbeit sind, um das Überleben einer  Million Menschen in Österreich." Viele, die in Kurzarbeit sind, seien nicht auf 80 oder 90 Prozent ihres Einkommens gefallen, sondern bis "hinuntergerauscht" auf 60 Prozent, denn es fielen ja auch Trinkgelder, Zulagen und Überstunden weg.

Dass die Wirtschaft die Finanzen alleine wieder in Balance bringt, hält Katzian für nicht realistisch: "Wer glaubt, man kann aus der Krise nur herauswachsen, der lebt am Mond." Zunächst müssten die Gewinner der Pandemie, die großen Digitalkonzerne etwas beitragen, wobei der Spitzen-Gewerkschafter hier eine europäische Initiative erwartet. Zudem werde man über eine Beteiligung von großen Vermögen reden müssen.

Nicht mehr auf "Misthaufen der Geschichte"

Zum Verhältnis mit der Regierung meinte Katzian, dieses habe sich unter Türkis-Grün wieder verbessert. Man werde zumindest in ordnungspolitischen Fragen wieder gehört, nicht aber bei Zukunftsfragen. "Unter der ÖVP-FPÖ-Regierung wurden wir als Randanmerkung der Geschichte betrachtet, es hat sich angehört, als gehörten wir auf den Misthaufen der Geschichte.

Klar ist für Katzian, dass es auch nach Auslaufen des gegenwärtigen Kurzarbeitsmodells Mitte des Jahres dieses Instrument brauchen werde. Immerhin sei die Kurzarbeit auch wesentlich billiger als die Arbeitslosenhilfe. Zudem gelte es in der Übergangsphase nach Ende der Pandemie die Altersteilzeit und das Soliprämien-Modell weiter zu entwickeln.

Debatte statt Reflex

Weiters will der ÖGB-Präsident auch diverse Arbeitszeitverkürzungsvarianten diskutiert sehen. Er wünscht sich darüber vor allem eine seriöse Diskussion statt des üblichen Reflexes "das ist Gaga, das darf nicht sein". Die Arbeitszeitverkürzung sei jenes Instrument, das dazu führen könne, dass auch die Arbeitnehmer partizipierten vom Produktivitätsfortschritt.

Schließlich tritt Katzian auch dafür ein, dass in bestimmten Bereichen der Staat Menschen anstellt. Schwer habe es insbesondere die Gruppe der Langzeitarbeitslosen, von denen viele auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Job mehr fänden.

Grundsätzlich ist für ihn viel verloren gegangen, was die Diskussionskultur betrifft. "Heute geht es oft nur noch darum, einen in die Goschen zu hauen, oder über Social Media niederzumachen,  das ist schade."

Corona-Prävention in den Betrieben

In Bezug auf die Corona-Maßnahmen sieht Katzian die Betriebe als wichtigen Partner der Regierung, durchaus auch im Sinne der Arbeitnehmervertretung. In Bezug auf einfache Testmöglichkeiten sei am Markt vieles in Bewegung, bis hin zu Lollipop-Tests zum Lutschen oder Tests zum Blasen nach dem Muster der Alko-Tests.  Er halte es für angebracht, diese Möglicheiten zu nutzen, "aber jetzt ist es dafür noch zu früh".

Erfolgreich unterwegs sei man hingegen bei den Teststraßen, auch innerbetrieblich. "Die haben eine hohe Bedeutung, solange es noch keinen Impfstoff gibt."