Wie berichtet wird die türkis-grüne Koalition in den nächsten Tagen ihr Transparenzpaket - inklusive Abschaffung des Amtsgeheimnisses und Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes - in Begutachtung schicken.

Ein überraschender und im Regierungsprogramm bisher nicht vorgesehener Teil des Pakets: Verfassungsrichtern sollen in Zukunft auch vom Spruch abweichende Meinungen erlaubt werden.

In einer der Kleinen Zeitung von den Büros von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) übermittelten Aussendung zum Transparenzpaket ist folgender Punkt enthalten:

"Stärkung der Transparenz und Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofes durch Möglichkeit auch für Sondervoten bei Gerichtsentscheidung („dissenting“ und „concurring opinion“) sowie Einführung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Cooling-off Periode der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs"

Bisher sprechen die 14 Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs mit einer Stimme. Auch in knappen Abstimmungen - in der Regel entscheidet der VfGH per Mehrheit der Richter, der Präsident selbst stimmt nicht mit - dringt weder nach außen, wer wie abgestimmt hat oder welche anderen Argumente es gegeben hat: Im Erkenntnis wird ausschließlich die Rechtsmeinung der Mehrheit wiedergegeben.

Eine Vorgehensweise, die nicht an allen Verfassungsgerichten so ist: Der US-Supreme Court beispielsweise pflegt in seinen Urteilssprüche auch "dissenting opinions" zu veröffentlichen: Die Rechtsmeinung von Richtern, die mit ihrer Ansicht in der Minderheit geblieben sind.

Für die Einführung solcher "dissenting opinions" spricht, dass die Rechtsfortbildung von eine solchen Diskussion auf gehobener Ebene profitieren würde; Kritiker dagegen sehen die Gefahr, dass die Autorität des VfGH geschwächt werden könnte, wenn er nicht mehr "mit einer Stimme" spricht. Auch, dass die "Verlässlichkeit" der von Regierung, Nationalrat und Bundesrat bestellten Verfassungsrichter so "überprüfbar" würde, sticht manchen ins Auge.

Ob das Transparenzpaket tatsächlich umgesetzt wird, steht aber noch in den Sternen: Die Koalition braucht dazu eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, also zumindest auch die Stimmen von entweder SPÖ oder FPÖ.