Am Sonntag sind die Augen der politisch interessierten Öffentlichkeit auf das einwohner- und einkommensschwächste Bundesland gerichtet. Nur 3,3 Prozent der Österreicher leben im Burgenland, das östlichste Bundesland weist trotz der beeindruckenden Metamorphose vom „Armenhaus zur Mittelstandsregion“ (Regionsexperte Michael Steiner) immer noch das niedrigste BIP auf. Früher wanderten die Burgenländer nach Amerika aus, heute sind vier von fünf Burgenländern zum Pendeln verdammt, jeder Dritte überquert in den Morgenstunden Landesgrenzen. Es ist das einzige Bundesland, das keinen Ballungsraum aufweist (Ödenburg/Sopron fiel 1921 an Ungarn), das abgesehen von Vorarlberg keine Uni besitzt, das die niedrigste Forschungsquote aufweist. Wie repräsentativ ist das Burgenland für den Bund? Eignet es sich als Blaupause? Oder ist es, frei nach Friedrich Hebbel, die kleine Welt, in der die große ihre Probe hält?

Mit Spannung wird das Ergebnis der regierenden SPÖ unter Landeshauptmann Hans Peter Doskozil erwartet. Der Burgenländer hatte sich als scharfer Kritiker der „Willkommenskultur“ profiliert wie auch kein gutes Haar an den Auftritten von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner gelassen. Zu seiner ersten Wahl tritt der ehemalige Verteidigungsminister mit der „Liste Doskozil“ an, auf den Plakaten wird deutlich auf die SPÖ Burgenland verwiesen – in offenkundiger Abgrenzung zur Bundes-SPÖ in der Löwelstraße. Rendi-Wagner ward in der Hochphase des Wahlkampfs nicht im Burgenland gesehen, im Unterschied zu ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der im ganzen Land plakatiert ist.

Eine Links-rechts-Kategorisierung des burgenländischen SPÖ-Chefs fällt schwer. In der Migrationsfrage fährt der ehemalige Polizeichef einen harten Kurs – der Burgenländer konnte sich vor nicht allzu langer Zeit eine Sicherungshaft für alle Gefährder vorstellen, nicht nur für ausländische Asylwerber. Wirtschafts- und sozialpolitisch positioniert sich Doskozil links außen: Er macht sich für einen Mindestlohn in Höhe von 1700 Euro netto stark, strebt die Rückführung von ausgelagerten Behörden in den öffentlichen Dienst an, eine Art Re-Verstaatlichung, und polemisiert gegen Privatisierung, Neoliberalismus, Globalisierung. In dieser Frage ist Doskozil Kevin Kühnert oder Max Lercher deutlich näher als Sigmar Gabriel oder Franz Vranitzky.

Meinungsforscher und politische Beobachter gehen am Wahlsonntag von einem Plus für Doskozil aus, der Zickzackkurs von ÖVP-Innenminister Karl Nehammer in der Frage der Errichtung von Asylzentren im grenznahen Bereich kommt dem Burgenländer zupass. Ob der Wahlausgang der Bundes-SPÖ einen neuen Richtungsstreit beschert, hängt vom Ausmaß des Plus ab. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der im Herbst wählt, hat kein Interesse an einem Aufflammen der alten Flügelkämpfe. Eine Personaldebatte erscheint wenig wahrscheinlich, im Interview mit der Kleinen Zeitung hatte der Burgenländer einen Wechsel nach Wien und die Übernahme der Bundes-SPÖ ausgeschlossen. Doskozils massive stimmliche Beeinträchtigung dürfte bei der Karriereplanung auch eine Rolle spielen, der SPÖ-Chef muss sich im Frühjahr einer dritten Operation an den Stimmbändern unterziehen.

Drei Optionen

Nach der Wahl hat der Landeshauptmann die Qual der Wahl, je nach Ergebnis stehen bis zu drei Koalitionspartner zur Verfügung. Die FPÖ muss infolge von Ibiza mit Einbußen rechnen, die Türkisen, die bei der Nationalrats- und EU-Wahl im Burgenland Platz eins erobert haben, werden zulegen. Mit Rückenwind können die Grünen rechnen.