Als Ursula von der Leyen am 1. Dezember ihr Amt als EU-Kommissionspräsidentin antrat, lag eines ihrer Kern- und Großprojekte schnell auf dem Tisch: Der "Green Deal" – so etwas wie der klimafreundliche Umbau der europäischen Wirtschaft bis zum Stichjahr 2050.

Ein Spagat, der noch keinem Staat der Erde überzeugend gelang: Binnen 30 Jahren sollen alle Treibhausgase gespeichert, ausgeglichen oder vermieden werden. Gleichzeitig soll die angepeilte Investition von 1000 Milliarden Euro – eine grüne Billion also, wenn man so will – ein historischer Weg zu "gerechtem Wandel" in Europa sein. Heute stimmen die EU-Abgeordneten in Straßburg über eine Entschließung zum "Green Deal" ab.

Gestern rührte von der Leyen noch die Werbetrommel: Die Investitionen aus dem mehrjährigen EU-Budget seien "zum großen Vorteil der Mitgliedsstaaten auf diesem Kontinent". Die Kosten für Nicht-Handeln, und für einen fortschreitenden Klimawandel seien "so viel höher", die Folgen seien "so viel schwerer", dass "kluge Investitionen" geleistet werden sollten. "Wir brauchen Klima-Cash gegen den Klima-Crash", sagte Budgetkommissar Johannes Hahn.



Die große Frage: Wie lässt sich das Billionenversprechen finanzieren? Gleich fünf Kommissare versuchten gestern in Straßburg, die Rechnung darzulegen, es war eine zunächst schwer durchschaubare Übung – zumal die Finanzierung auf zehn Jahre bis 2030 bezogen ist, sich aber am noch zu beschließenden mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) orientiert, der bloß von 2021 bis 2027 reicht. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans eröffnete den Reigen, unterstützt von den Kollegen Valdis Dombrovskis, Paolo Gentiloni, Johannes Hahn und Elisa Ferreira.

Ausgangspunkt sind 7,5 „frische“ Milliarden aus dem laufenden Budget. Aus Regionalentwicklung, Sozialfonds und Beiträgen der Länder kommen 30 bis 50 Milliarden hinzu, noch einmal soviel von InvestEU und der Rest von der Investitionsbank (EIB) – macht zusammen 100 bis 120 Milliarden Euro, die den „Just Transition Fund“ bilden. Dieser hat zum Hauptziel, ärmere oder benachteiligte Regionen beim Ausstieg aus der Kohle zu unterstützen, Atomenergie wird nicht gefördert. Rund 250.000 Arbeitsplätze hängen damit zusammen.

Der Rest auf die Riesensumme kommt von „umgefärbten“ Mitteln aus bestehenden Finanzplänen: 503 Milliarden aus dem EU-Haushalt, 114 Milliarden aus nationalen Förderungen, 279 von InvestEU und privaten Investoren. Man erhofft sich massive „Hebelwirkungen“, die aus dem investierten Geld hohen Nutzen schlagen sollen.

Die Kommission betonte, dass eine derart große Initiative in den Alltag fast aller Europäer eingreifen werde und man darauf achte, dass es zu keinen sozialen Ungerechtigkeiten kommt, der Verlust Hunderttausender Arbeitsplätze droht. Parallel wurde daher ein umfassendes Sozialpaket präsentiert mit Vorschlägen für Mindestlöhne, Bildungsprogrammen, Garantien für die Jugend und vielem mehr.

Werden die umweltschädigenden Branchen dicht gemacht, brauchen die Menschen neue Arbeit oder soziale Unterstützung. Finanziert werden sollen Umschulungen, aber auch die Ansiedlung neuer Unternehmen oder die Sanierung alter Firmengelände. Dafür infrage kommen auch deutsche Kohlereviere. Allerdings müssten wohlhabende Staaten wie Deutschland zu möglichen EU-Hilfen wesentlich mehr eigenes Geld zuschießen als schwächere Länder wie etwa Griechenland. Politisches Ziel des Fonds ist, bisher eher skeptische Länder wie Polen zu überzeugen, die Klimawende mitzutragen. Das Land hat mit Sicherheit einen besonders weiten Weg: Rund 80 Prozent seines Stroms kommen aus der klimaschädlichen Kohle.

Zum Projekt gab es umgehend viele kritische Meldungen, Tenor: „Taschenspieltricks“ und „Etikettenschwindel“. Wirtschaftsexperte Guntram Wolff von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel sagte etwa: "Die Hebelzahlen halte ich für illusorisch. Man braucht viel mehr echtes Geld."