Die Uhr tickt: Der britische Premier Boris Johnson muss das Gesetz zur Ratifizierung des Brexit-Vertrags jetzt im Eiltempo durch das Parlament peitschen. Das Unterhaus berät am Dienstag in zweiter Lesung über das Gesetz. Nötig ist ein Verfahren mit drei Lesungen in beiden Parlamentskammern in London. Erst danach stimmt das Europaparlament über das Vertragswerk ab. Die Regierung plant nun eine endgültige Abstimmung über das Brexit-Abkommen für Donnerstag.

Das Europaparlament wird in dieser Woche nicht mehr über den Brexit-Vertrag mit Großbritannien abstimmen, wie der portugiesische Parlamentsvize Pedro Silva Pereira am Montagabend mitteilte. Damit wird der Zeitplan für Johnsons Vorhaben allerdings noch enger. Johnson will Großbritannien aber schon Ende Oktober aus der EU führen. Noch am Montagabend rief er die Parlamentarier auf, ihn in seinem Vorhaben zu stützen. "Wir verlassen die Europäische Union, aber wir werden immer Europäer bleiben", teilte der Premierminister mit. "Lasst uns den Brexit am 31. Oktober vollziehen."

Grundsatzentscheidung

Die britische Regierung wollte am Montag eine Grundsatzentscheidung, ein sogenanntes Meaningful Vote. Damit wäre zumindest klar gewesen, ob das Brexit-Abkommen eine Mehrheit in dem total zerstrittenen Parlament findet. Doch Bercow ließ das mit der Begründung nicht zu, eine Vorlage gleichen Inhalts habe schon am Samstag zur Abstimmung gestanden. Auch die Umstände hätten sich nicht geändert.

Am Samstag hatten die Abgeordneten ihr Votum vertagt, um die Regierung zu einem Antrag auf Fristverlängerung bei der EU zu zwingen. Den schickte Johnson am Wochenende auch zähneknirschend nach Brüssel, allerdings mit der Ansage, den Brexit doch am gültigen Termin 31. Oktober durchzuziehen. Entschieden werden dürfte über eine Verlängerung erst, wenn mehr Klarheit in London herrscht.

EU-Parlament wartet ab

"Das EU-Parlament wird (das Abkommen) erst ratifizieren, wenn die Ratifizierung im Vereinigten Königreich abgeschlossen ist", sagte ein Parlamentssprecher am Montag in Straßburg mit Verweis auf eine entsprechende Entschließung vom September. Auch die Brexit-Steuerungsgruppe des Parlaments empfahl am Montag diese Herangehensweise.

Parlamentskreisen zufolge war bisher eine Abstimmung über den Brexit-Deal an diesem Donnerstag ins Auge gefasst worden. Nun scheint eine Abstimmung des EU-Parlaments noch in dieser Woche nun nicht mehr wahrscheinlich. Sollte sich erst in den Tagen danach in London etwas bewegen, müsste eine außerordentliche parlamentarische Vollversammlung in Brüssel einberufen werden, um den Brexit-Termin am 31. Oktober einzuhalten. Der deutsche Außenminister Heiko Maas brachte zudem ins Spiel, dass es "eine kurze technische Verlängerung geben könnte."

Den enormen Zeitdruck hat Johnson selbst aufgebaut: Er hat immer wieder versprochen, Großbritannien am 31. Oktober - also nächste Woche - aus der EU zu führen. Wiederholt hatte er auch mit einem Ausstieg ohne Abkommen gedroht. Im Falle einer ungeregelten Scheidung von der Staatengemeinschaft drohen chaotische Verhältnisse. In Prognosen wird etwa mit Engpässen bei Lebensmitteln und Arzneien sowie mit Protesten gerechnet.