Vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs drückt die EU in den Brexit-Verhandlungen aufs Tempo. Wenn es am Dienstag noch eine Einigung gebe, könne sich der EU-Gipfel ab Donnerstag damit befassen, sagte der belgische Außenminister Didier Reynders in Luxemburg. "Es ist aber nicht einfach."

Zuvor hatten EU-Diplomaten bereits wissen lassen, dass der EU-Chefunterhändler Michel Barnier die britischen Vorschläge für nicht ausreichend halte. Er brauche eine Verständigung auf einen rechtsgültigen Text bis zum Ende des Tages, damit er dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag dessen Annahme empfehlen könne, hieß es. Andernfalls werde Barnier wohl zu weiteren Gesprächen mit Großbritannien nach dem Gipfeltreffen raten. Ein Text müsse spätestens Mittwochvormittag zur wöchentlichen Sitzung der EU-Kommission vorliegen, damit die Mitgliedstaaten vor dem Gipfel noch informiert werden könnten, hieß es aus EU-Kreisen.

Eine Brexit-Einigung mit Großbritannien ist nach den Worten von EU-Unterhändler Michel Barnier noch in dieser Woche möglich. Allerdings werde ein Kompromiss mit der Zeit immer schwieriger, sagte Barnier am Dienstag vor einem Treffen der zuständigen EU-Minister in Luxemburg. Eine Vereinbarung müsse für alle funktionieren, sowohl für ganz Großbritannien als auch für die gesamte Europäische Union. "Es ist höchste Zeit, gute Absichten in einen Rechtstext zu gießen", sagte Barnier.

Ein Deal mit Großbritannien soll spätestens beim EU-Gipfel Ende dieser Woche stehen. Andernfalls dürfte erneut über eine Fristverlängerung geredet werden. Verhandelt wird über eine Änderung des 2018 vereinbarten Austrittsvertrags. Dieser regelt die wichtigsten Fragen der Trennung und sieht nach dem Brexit eine Übergangsfrist bis Ende 2020 vor, in der sich praktisch nichts ändern würde.

Chaos direkt nach dem Austritt soll mit dem Vertrag vermieden werden. Nicht nur das britische Unterhaus, sondern auch das EU-Parlament müsste das Abkommen noch vor Ende Oktober billigen. Deutschland drängt London zum Nachgeben beim Brexit. Die EU stelle vor einer Einigung nur zwei einfache Bedingungen, nämlich den Erhalt des Friedens in Nordirland und den Schutz des europäischen Binnenmarkts, sagte der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth am Dienstag in Luxemburg. "Jetzt liegt es wieder mal an unseren britischen Partnern, das zu tun, was nötig ist." 

Der irische Sender RTE berichtete unterdessen, Großbritannien werde der EU-Kommission an diesem Dienstag in Brüssel neue Vorschläge unterbreiten, um den Stillstand in den Gesprächen zu durchbrechen. Das hätten zwei gut informierte Insider erklärt, schrieb ein RTE-Reporter auf Twitter. Die Vorschläge folgten einem Treffen Johnsons mit der Chefin der nordirischen Partei DUP, Arlene Foster, am vergangenen Abend. Der Regierungschef ist auf die DUP-Stimmen im Parlament angewiesen. Das Büro des britischen Premierministers Boris Johnson kommentierte dies zunächst nicht.

Die Zeit für einen geordneten Brexit, also mit einer Vereinbarung über die künftigen Beziehungen, wird knapp. Johnson will, dass Großbritannien am 31. Oktober die EU verlässt. Die Details eines Scheidungsvertrages sollen auf dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel vereinbart werden, bevor am Samstag das britische Parlament in einer Sondersitzung darüber abstimmt.