Nach dem Urteil gegen neun Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung sind in Katalonien tausende Menschen auf die Straße gegangen. Sie versammelten sich auf der Plaça de Catalunya in Barcelona und forderten die Freilassung der "politischen Gefangenen". Bei Protesten am Flughafen kam es zu Konfrontationen mit der Polizei. Insgesamt seien bis zum Abend mehr als 30 Menschen verletzt worden.

Das berichtete die Nachrichtenagentur "Europa Press". Die Demonstranten hatten versucht, Teile des Airports El Prat lahmzulegen und die Zugangswege zu blockieren. Die Sicherheitskräfte hätten auch Schaumgeschoße eingesetzt, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen, so das spanische Fernsehen. Nach Angaben des Flughafenbetreibers Aena wurden etwa 20 Flüge gestrichen, zahlreiche weitere konnten nur mit Verspätung starten, wie auf der Webseite des Flughafens zu sehen war. Am Abend versammelten sich Tausende Katalanen auf der Plaça Sant Jaume vor dem Sitz der Regionalregierung.

Das Oberste Gericht Spaniens hatte kurz zuvor neun von zwölf angeklagten Unabhängigkeitsführer wegen "Aufruhrs" und Veruntreuung öffentlicher Gelder zu neun bis 13 Jahren Haft verurteilt. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, im Oktober 2017 ein von der spanischen Justiz als illegal eingestuftes Unabhängigkeitsreferendum organisiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte bis zu 25 Jahre Haft gefordert.

Verkehrsverbindungen blockiert

Die höchste Strafe erhielt der frühere katalanische Vize-Regionalpräsident Oriol Junqueras mit 13 Jahren Haft. In einem Schreiben an seine Unterstützer kündigte er an, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung werde "noch stärker" zurückkommen - "heute ist nichts vorbei". Die frühere Präsidentin des katalanischen Regionalparlaments, Carme Forcadell, wurde zu elf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Jordi Sànchez, Ex-Chef der Katalanischen Nationalversammlung (ANC), und Jordi Cuixart, Leiter der Kulturvereinigung Omnium Cultural, wurden zu jeweils neun Jahren Haft verurteilt. Gegen drei weitere Angeklagte wurden Geldstrafen in Höhe von 60.000 Euro verhängt.

Nach der Urteilsverkündung blockierten aufgebrachte Unabhängigkeitsbefürworter Straßen und Gleise in Barcelona, tausende versammelten sich am Mittag auf der Plaça de Catalunya. Bereits im Vorfeld hatten Aktivisten für den Fall einer Verurteilung eine Kampagne des "zivilen Ungehorsams" angekündigt. Die Zentralregierung verstärkte daraufhin die Polizeipräsenz in der Region.

Am Nachmittag marschierten Demonstranten zum Flughafen, um ihn zu blockieren. Auf Bildern war zu sehen, wie Polizisten Schlagstöcke gegen Kundgebungsteilnehmer einsetzten und Demonstranten am Boden festhielten. Hunderte Protestierende hatten die Sicherheitskräfte zuvor mit Steinen und Mülleimern beworfen, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Rettungskräften zufolge wurden 13 Menschen leicht verletzt. ANC und Omnium Cultural kündigten für den Abend weitere Kundgebungen in der gesamten Region an. Auch in den nächsten Tagen werden zahlreiche Proteste erwartet.

Europäischer Haftbefehl

Der ins Exil geflohene ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont bezeichnete die Urteile bei einem öffentlichen Auftritt in Brüssel als "ungerecht" und "unmenschlich". Jegliche Reaktion darauf müsse aber "demokratisch und gewaltlos sein". Die anstehenden Parlamentswahlen am 10. November sollten dazu genutzt werden, eine "massive und durchschlagende Antwort" zu senden, forderte der Katalane.

Gegen Puigdemont wurde am Montag erneut ein internationaler Haftbefehl erlassen. Er wird wegen "Aufruhrs" und der Veruntreuung öffentlicher Gelder gesucht. Der damalige Regionalpräsident hatte nach dem Referendum die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien erklärt. Durch seine Flucht nach Brüssel entzog er sich aber der Strafverfolgung in Spanien.

Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez hofft, das Ende des Gerichtsprozesses könne dem Dialog mit den Unabhängigkeitsbefürwortern neuen Antrieb geben. In einer Fernsehansprache rief Sánchez am Montag dazu auf, "ein neues Kapitel" aufzuschlagen, betonte aber auch, dass niemand über dem Gesetz stehe.

Die Partei von Junqueras, die Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), betonte jedoch, ohne eine "Amnestie" für die "politischen Gefangenen und Exilanten" sei ein Dialog unmöglich. Die spanische Finanzministerin María Jesús Montero schloss eine Begnadigung der neun Verurteilten aus. "Wir akzeptieren das Urteil und appellieren jetzt an alle politischen Kräfte, dass sie gemeinsam nach vorne schauen", sagte sie dem "Handelsblatt".