Es war ein Showdown, wie man ihn im echten Leben kaum für möglich hält: Mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok, versteckt in seiner Unterhose, sollte Alexej Nawalny umgebracht werden. Im Koma und dem Tode nahe wurde er nach Berlin gebracht und gerettet. Und kaum war er wieder einigermaßen auf den Beinen, rief er seinen mutmaßlichen Mörder, einen Agenten des russischen Geheimdienstes, an, gab sich als Mitarbeiter von Präsident Putin aus und entlockte diesem die Details des Tathergangs. Der 45-Jährige, so scheint’s, hat Nerven, die kein Gift erschüttert.

Und doch hat er seinen Kampf gegen die Macht Wladimir Putins vorerst verloren. Der prominenteste Kritiker des Kremls, der diesem nicht nur das Attentat, sondern auch massive Korruption vorwirft, ist im Straflager gelandet. Das EU-Parlament setzte gestern ein Zeichen der Ermutigung, das Nawalny, seine Familie und seine Anhänger gut gebrauchen können: Er wurde mit dem renommierten Sacharow-Preis für Demokratie und Menschenrechte ausgezeichnet. „Nawalny hat unermüdlich gegen die Korruption des Regimes von Wladimir Putin gekämpft. Dies kostete ihn seine Freiheit und fast sein Leben“, begründete EU-Parlamentspräsident Sassoli die Entscheidung. Mit dem Preis werde seine immense Tapferkeit gewürdigt.



Der studierte Jurist und Vater zweier Kinder ist mit Videos bekannt geworden, in denen er und seine Mitstreiter Korruptionsfälle im Staatsapparat an den Pranger stellten – und sie schreckten dabei auch nicht davor zurück, Paläste und Geldflüsse zu zeigen, die sie Präsident Putin zuschreiben.

Der Kreml-Chef weist alle Vorwürfe als unwahr zurück – und kann sich entspannt zurücklehnen: Nawalnys Organisation wurde zerschlagen. Die Parlamentswahl ging ohne den Streitbaren über die Bühne. Und seine Zukunftsaussichten sind düster: Erst kürzlich leitete die russische Justiz neue Ermittlungen wegen „Gründung einer extremistischen Gemeinschaft“ ein. Darauf stehen noch einige Jahre Haft.