Man soll sich ja bekanntlich auch über die kleinen Dinge freuen. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) verkündete am Montag frohen Mutes, man habe, was die Inspektionen anlangt, die verhindern sollen, dass der Iran eine Atombombe baut, mit Teheran eine Übergangslösung vereinbart: Zumindest in den nächsten drei Monaten "darf" die IAEA ihre Kontrollen fortsetzen - wenn auch in eingeschränkter Form. Zu mehr ist Teheran nicht bereit. Dass dies schon als gute Nachricht gilt, zeigt, wie schlecht es um den Atomdeal derzeit steht. Dabei warnen Experten seit Jahren: Ohne Einhaltung des Abkommens, das 2015 in Wien unterzeichnet wurde, sei ein nukleares Wettrüsten am Golf kaum aufzuhalten; das Mullah-Regime könne die Bombe bald in Griffweite haben.

Verheerende Wirkung

Seit einigen Wochen stehen die Zeichen auf Eskalation: Es gibt kaum noch Bedingungen des Abkommens, an die sich der Iran noch hält. Überraschen braucht das niemanden: 2018 war Donald Trump einseitig aus dem Abkommen ausgestiegen - in der Erwartung, Teheran damit in die Knie zu zwingen und möglicherweise gar einen Regimewechsel zu bewirken. Die Sanktionen hatten dann zwar eine verheerende Wirkung auf die iranische Wirtschaft und auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung; politisch aber trat das Gegenteil ein. Die Moderaten, die den Atomdeal unterstützten, gerieten in die Defensive; die Stellung der Hardliner wurde gestärkt.

Seit Ende Jänner ist jetzt Joe Biden im Weißen Haus in Washington. Eigentlich wäre die Lage günstig: Biden hat angedeutet, in das Abkommen zurückkehren zu wollen - fordert aber, dass zuerst der Iran Schritte setzt und das Abkommen einhält. Auch Teheran will offenbar festhalten an dem Deal - fordert aber, dass zuerst die US-Sanktionen aufgehoben werden. Immerhin hatten die USA diese einseitig verhängt.

In den vergangenen Wochen begann man im Iran, an der Eskalationsschraube zu drehen. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz drohte ein Vertrauter von Ayatollah Khamenei indirekt damit, angesichts des Sanktionsregimes des Westens werde dem Iran keine andere Möglichkeit gelassen, als von der friedlichen Nutzung der Atomkraft auf einen martialischen Kurs umzuschwenken.

Misstrauen

Um den Druck zu erhöhen, geht der Iran nun dazu über, das Zusatzprotokoll des Atomwaffensperrvertrags NPT auszusetzen und damit den Zugang der internationalen Atom-Inspektoren zu einem Teil der iranischen Anlagen einzuschränken.  Das Misstrauen gegenüber dem Erzfeind USA sitzt tief. Nur mit Ankündigungen will man sich von Biden nicht abspeisen lassen. "Diesmal muss gehandelt werden", erklärte Revolutionsführer Ali Khamenei kürzlich in einer Ansprache an die Adresse der USA.

Bisher hieß es in Teheran von offizieller Seite stets, man nutze die Atomkraft einzig zu friedlichen Zwecken. Der Bau einer Bombe werde gar nicht angestrebt - eine Fatwa von Chamenei selbst stehe dem entgegen. Der Oberste Führer hat darin klargestellt, dass die Herstellung von Atomwaffen gegen die Scharia verstoße, die Islamische Republik strebe sie daher nicht an.

Nur wenige Monate

Dennoch herrschen unter westlichen Geheimdiensten große Zweifel daran. Bei den Verhandlungen zum Atomabkommen wurden die Beschränkungen daher so gewählt, dass der Iran ein Jahr brauchen würde, um genug spaltbares Material für eine Bombe herzustellen. Diesen Zeitraum hat Teheran nach unterschiedlichen Berechnungen nach dem Streit mit Trump mittlerweile wieder auf drei bis sechs Monate verkürzt.

Um aus dem spaltbaren Material einen Sprengsatz zu bauen, wären nach Einschätzung des israelischen Militärgeheimdienstes noch einmal zwei Jahre nötig. Spätestens bis dann müsste die Diplomatie eine Lösung finden. Im Iran scheint man aber nicht gewillt, so lange zu warten.

„Das Wiener Abkommen existiert noch, aber es hängt an einem seidenen Faden“, erklärte kürzlich Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg. Diplomaten gehen davon aus, dass das Mindeste, was der Iran erreichen möchte, zeitgleiche Schritte sind - die Aufhebung der Sanktionen und die Rückkehr zur Einhaltung der Bestimmungen.

Aber damit ist noch lange nicht alles gelöst. Beide Seiten wollen mehr: In Teheran will man rasche Taten, die sich auch rasch auf die Wirtschaft auswirken, vor allem was die Wiederaufnahme des Ölexports anbelangt, der für die Staatskassen essenziell ist. Biden will aber auch über das Raketenprogramm des Iran sprechen - denn es geht auch um die Frage, was mit dem Geld passiert, dass der Iran künftig wieder verdienen will.

Mammutaufgabe

Und die USA wollen auch eine Änderung der keineswegs immer konstruktiven iranischen Politik im Nahen Osten - Stichwort: Syrien, Jemen, Libanon. Das wiederum würde aber bedeuten, dass es einen Ausgleich mit Irans Nachbarn und seinem Rivalen am Golf, Saudi-Arabien geben muss. Eine Mammutaufgabe, die sich nicht so rasch herbeiverhandeln lässt.

All diese Probleme werden sich zuspitzen, sollte der Iran eines Tages nuklear bewaffnet sein. Das kann sich keiner wünschen - also wird man sich wohl einigen müssen, das Atomabkommen wiederzubeleben und die Zusatzfragen später anzugehen.