"Wir haben alles unter Kontrolle", dröhnt es am Tag nach der Wahl unter dem stattlichen Schnauzbart hervor, während Bilder von Massenverhaftungen um die Welt gehen. Alexander Lukaschenko, seit 26 Jahren an der Macht, hat nicht vor, diese abzugeben. Koste, es was es wolle. Er liebe sein Land - "und was man liebt, gibt man nicht her!", schmetterte er im Wahlkampf der Opposition entgegen. Keinen einzigen der letzten vier Wahlgänge zu Lukaschenkos Wiederwahl hatte die OSZE als fair anerkannt. Der fünfte, jetzige, ist ähnlich, und doch anders: Nie zuvor war der Protest gegen den Langzeitherrscher so geeint und so entschlossen. Mit 80 Prozent lässt sich dieser zum Sieger erklären. „Verschwinde!“, rufen die Demonstranten.

Geheimdienst

Kontrolle - das ist ihm vertraut, so ist er aufgewachsen. Lukaschenko gilt als Verkörperung und Überbleibsel eines sowjetischen Machtverständnisses, ein Autokrat, der mit Pluralismus und Moderne nichts am Hut hat. Die Grundausbildung, die ihn prägte, absolvierte der Sohn eines Textilarbeiters und einer Melkerin in Sowjetzeiten als Funktionär der Jugendorganisation "Komsomol"; er studierte Geschichte und Agrar-Ökonomie und wurde schließlich Instrukteur des sowjetischen Geheimdiensts KGB. Der heißt in Lukaschenkos Weißrussland noch heute so. 1991 unterstützte er den August-Putsch in Moskau gegen Michail Gorbatschow.

"Lieber Diktator als schwul"

Sein Weltbild hat sich nicht gravierend verändert. Schon vor der Wahl ließ er alle Kandidaten, die sein System in Frage stellen, ins Gefängnis sperren. Über die Frauen, die gegen ihn antraten, hatte er derbstes Vokabular parat. Dem früheren deutschen Außenminister Guido Westerwelle, der es einst wagte, Kritik anzubringen, schmetterte er entgegen, er sei lieber "Diktator als schwul". Die Corona-Epidemie nennt er einfach eine "Psychose" - man könne sich dagegen mit Saunagängen oder Wodka schützen, behauptete der Herr Staatschef ungerührt. Dass Herrschaft nichts ist, das man bei Wahlen abgibt, ist klar: Immer wieder zeigt er sich mit seinem dritten, außerehelichen Sohn Nikolai, der 2004 geboren wurde:  Lukaschenko verlegte, wie weißrussische Medien berichteten, seinen eigenen Geburtstag einfach um einen Tag - damit sie beide gemeinsam am 31. August Geburtstag haben. 2013 verkündete der Staatschef, sein Sohn werde einmal Präsident werden.

Lukaschenko inszeniert sich gern als "Batka", als volksnahes "Väterchen", das darauf schaut, dass sich nichts verändert. "Stabilität" nennt sich das dann. Geschätzt wird dies noch heute vor allem bei der älteren Bevölkerung und in ländlichen Regionen.

Ausgespielt

Positiv angerechnet wird ihm in weiten Kreisen, dass es Lukaschenko, einem passionierten Eishockey-Spieler, gelang, sich Machtansprüchen aus Moskau geschickt zu entziehen und zugleich mit Europa eine Gesprächsbasis aufrechtzuerhalten - beide Seiten spielte er immer wieder geschickt gegeneinander aus. Putin mag in vielen Punkten unzufrieden sein mit Lukaschenko - doch dass er die Demokratiebewegung in Minsk nieder hält, sichert ihm den Schutz des Kreml.

Doch letztlich ist es unter anderem die Corona-Krise, die seinen Thron ins Wanken bringt: Viele Weißrussen, denen bisher politische Apathie nachgesagt wurde, fühlten sich vom Staat in der Gesundheitskrise im Stich gelassen - und nahmen die Situation für sich selbst in die Hand. Das wollen sie jetzt offenbar auch politisch.

Noch macht Lukaschenko keine Anstalten, dem nachzugeben. Die Opposition mag Tausende auf die Straßen gebracht haben, auch einige Soldaten sollen die Seiten gewechselt haben. Doch um das System Lukaschenko auch in der Justiz, in weiteren Teilen des Sicherheitssystems zu stürzen, wird es wohl - noch - nicht reichen. Lukaschenko "liebt" sein Land brutal und viel zu sehr.