Nach wachsendem Zorn über eine möglicherweise vermeidbare Explosion mit vielen Toten und Verletzten in Beirut gerät die Regierung des Libanon immer stärker ins Wanken. Zwei Minister legten am Sonntag ihre Ämter nieder. Ministerpräsident Hassan Diab war bemüht, weitere Kabinettsmitglieder vom Rücktritt vor einer für Montag geplanten Sitzung abzuhalten, wie die dpa aus Regierungskreisen erfuhr. Schließlich erklärte auch noch Justizministerin Marie Claude Najm, sie habe ihren Rücktritt eingereicht und verwies dabei auf die verheerende Explosion im Beiruter Hafen und die anschließenden Proteste gegen die Regierung. 

Stunden nach Informationsministerin Manal Abdel Samad sei am Sonntag auch Umweltminister Damianos Kattar zurückgetreten, hieß es aus Regierungskreisen. Die Regierung des Libanon ist aufgelöst, wenn mehr als ein Drittel der 30 Kabinettsmitglieder ihr Amt niederlegen. Das wäre der Fall bei einem Rücktritt von fünf weiteren Ministern. Diab wollte dem Kabinett in einer Sitzung am Montag vorschlagen, Neuwahlen abzuhalten. Die nächste Wahl stünde in dem Mittelmeerland eigentlich erst im Jahr 2022 an.

Viele Libanesen haben das Vertrauen in die politische Elite nach der Explosion mit mehr als 150 Toten und über 6000 Verletzten endgültig verloren. Sie vermuten, dass die Detonation, bei der möglicherweise große Mengen unsicher gelagerten Ammoniumnitrats explodierten, durch grobe Fahrlässigkeit verursacht wurde. Sie klagen auch, dass Wahlen an den realen Machtverhältnissen in dem konfessionell stark gespaltenen Land bisher wenig verändert hätten. Am Sonntag demonstrierten laut Augenzeugen wieder hunderte Menschen. Einige warfen am Parlamentsgebäude mit Steinen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein.

Über 250 Mio. Euro Soforthilfe

Für die Opfer der Explosion, durch die bis zu 300.000 Menschen obdachlos wurden, werden Hilfsgelder gesammelt. Bei einer internationalen Geberkonferenz kamen laut dem französischen Präsidialamt 252,7 Millionen Euro Soforthilfe zusammen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron leitete gemeinsam mit den Vereinten Nationen das virtuelle Treffen, an dem auch US-Präsident Donald Trump und Vertreter von mehr als 30 weiteren Staaten und Organisationen teilnahmen.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem Libanon mit einem Rettungspaket helfen, verlangt dafür aber eine politische Einigung auf umfassende Reformen. Die Finanzorganisation sei bereit, ihre Bemühungen zu verdoppeln, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Die EU kündigte an, ihre Nothilfe auf 63 Millionen Euro aufzustocken.