Im März 2018 war für Mohammed bin Salman die Welt noch in Ordnung. Fast fünf Wochen lang tourte der saudische Kronprinz als Liebling der westlichen Medien durch die USA und Europa, schaute drei Tage bei Frankreichs Präsident Macron vorbei, bevor er zum Abschluss nach Spanien flog.

Glanzvolle Adressen

Wall Street, Harvard, Silicon Valley und Hollywood hießen die glanzvollen Adressen in der Neuen Welt, die vor ihm noch kein saudischer Monarch mit eigenen Augen gesehen hatte. Bei einem Festdinner in Los Angeles traf er Amazon-Gründer Jeff Bezos, einen der reichsten Männer der Welt, der fünf Jahre zuvor die „Washington Post“ gekauft hatte. Beide tauschten ihre Handynummern aus und schmiedeten hochfliegende Pläne. Seit dem Staatsmord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat von Istanbul ist diese Euphorie offener Feindschaft gewichen.

Neuer Höhepunkt ist nun die Mitteilung der UNO, Mohammed bin Salman persönlich habe das iPhone des Amazon-Chefs wohl mit einem Virus infiziert. Die Vorwürfe rücken den saudischen Thronfolger weiter ins Zwielicht. Wie Agnès Callamard, UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen, und David Kaye, UN-Sonderbeauftragter für den Schutz der Meinungsfreiheit, erklärten, sei man mit „ziemlicher Sicherheit“ zu diesem Fazit gekommen und fordere eine sofortige Untersuchung. Wie zuvor der „Guardian“ aufgedeckt hatte, war die Schadsoftware „Pegasus“ am 1. Mai 2018 offenbar in einem Videoclip versteckt, den der Königssohn während eines Whatsapp-Chats an Bezos schickte. In den folgenden Monaten wurden große Mengen an privaten Daten und Fotos von dessen Smartphone abgesaugt. Von dem gestohlenen Material machte die saudische Seite aber erst nach dem Khashoggi-Mord Gebrauch, als die „Washington Post“ weltweit die Öffentlichkeit mit ihrer umfassenden Berichterstattung über das grausame Verbrechen an ihrem ehemaligen Kollegen aufrüttelte.

Internet-Trolle

Saudi-Arabien setzte Horden von Internet-Trollen in Marsch, die Bezos als Hetzer gegen das Königshaus und als unmoralischen Ehebrecher denunzierten. „Wer immer sich mit Saudi-Arabien anlegt, der wird zerstört und verachtet werden; Gott wird seine Existenz beenden“, lautete eine der Twitter-Botschaften. Obendrein wurden Details der außerehelichen Beziehung von Bezos mit der ehemaligen TV-Moderatorin Lauren Sanchez dem „National Enquirer“ zugespielt.

Das Trump-treue Klatschmagazin versuchte den Amazon-Gründer mit der Drohung zu erpressen, intime Fotos des Paars zu drucken, die offenbar von dem gehackten Handy stammten. Ziel des Hackerangriffs war offenbar, Bezos öffentlich zu beschädigen und ihn als Besitzer der „Washington Post“ zu erpressen, damit er seine Journalisten in der Affäre Khashoggi zurückpfeift.

Saudi-Arabien weist sämtliche Vorwürfe als „absurd“ zurück und verlangt, dass alle angeblichen Beweise offengelegt werden. Auch US-Präsident Trump nimmt den Kronprinzen weiter eisern in Schutz. Sein Schwiegersohn Jared Kushner ist häufiger Gast in Riad. Um den Verdacht von sich abzulenken, ließ Mohammed bin Salman kurz vor Weihnachten fünf Beteiligte aus dem Killerkommando zum Tode verurteilen, ein Strafverfahren, das die UN-Sonderberichterstatterin Callamard als „Verhöhnung der Justiz“ anprangerte. „Nicht nur, dass die Drahtzieher frei herumlaufen“, twitterte sie, „auch wurden sie durch die Ermittlungen und den Prozess nicht angetastet.“