Was ist das Neue an ihrem Konzept für das „Carbon Management“?

Es das Gesamtpaket: dass wir als Wissenschaftler nicht nur ein theoretisches Konzept vorlegen, sondern klar aufzeigen, wie man erfolgreich Klimaschutz macht, als Person oder Personengruppe, als Unternehmen, als Land, um die Pariser Klimaziele erreichen zu helfen. Es ist eine Handreichung dafür, eine Anleitung, dass man trotz des großen Waldes von unübersichtlichen Möglichkeiten die Bäume noch sieht und die richtigen Wege findet, also zu Emissionsabbau und Klimaschutz auf den Weg kommen kann und begleitet wird.

Sie haben es auch persönlich ausprobiert – wie weit sind Sie gekommen?

Ich praktiziere eine Vorläufermethode seit 2016, und zwar nach der einfachen Regel: Verbrauch die Hälfte. Ein Beispiel: Einladungen zu Konferenzen sorgfältig ausgewählt annehmen hat gut die Hälfte aller beruflichen Flugreisen eingespart. Allein dadurch sanken meine Emissionen, damals etwa die eines Durchschnittsösterreichers, um ein Viertel. Dieser einfache Zugang war noch nicht innerhalb der neuen Systematik aber es war eine gute Inspiration. Die neue Methode betrachtet systematisch alle Emissionsbereiche, Stromverbrauch, Wärmeverbrauch, Mobilität, etc.

Ich habe mir ihr Paper angeschaut. Ich wäre damit überfordert…

Ja, hier ist unsere fachliche Begleitung wichtig bzw. für das persönliche Carbon Management auch die Unterstützung durch eine App, die auf unserer Methode beruht. Ich hoffe sehr, dass sich ein Start-Up findet, das diese App-Idee aufgreift. Wir unterstützen das seitens Uni Graz auch ausdrücklich.

Die Uni Graz geht als Unternehmen seit 2020 mit leuchtendem Beispiel voran, diese Erfahrungen haben sie in ihr Carbon Management bereits eingearbeitet. Was sind die Erfolgsfaktoren?

Es ist tatsächlich sehr erfreulich, wie ernsthaft unsere Uni mit ihren 4.000 Beschäftigten und rund 30.000 Studierenden dadurch nun auf dem Weg ist. Bis zum Jahr 2030 wollen wir als Uni Graz die Emissionen bereits um zwei Drittel reduziert haben, um bis 2040 echte Klimaneutralität zu erreichen.

Die Erfolgsfaktoren sind der Wille der Leitung, das von ganz oben konsequent zu unterstützen, die Bereitschaft ein ehrliches Treibhausgas-Referenzbudget als Startbasis für den Abbau zu erstellen, die „niedrig hängenden Früchte“ auszumachen, also jene Bereiche, in denen sich rasch Erfolge erzielen lassen – im Bereich der Uni war das beispielsweise der Wechsel auf zertifizierten grünen Strom. Der klare Zielpfad und die ersten guten Ergebnisse führen dazu, dass die anfängliche Lethargie, das Gefühl, überfordert zu sein, rasch verschwinden und die Leute sich befähigt fühlen, es zu schaffen. Man erkennt: Man ist Teil der Lösung und kommt in die Spur.

Wie können Mitarbeiter gut mit auf die Reise genommen werden?

Durch Information, Transparenz und Anreize. Auf der Uni beispielsweise wollen wir die eingesparten Tonne CO2 intern auch für Anreize bepreisen. Als Beispiel: Wenn bei einem Preis von 110 Euro pro Tonne, die Untergrenze eines klimagerechten Preises, eine Abteilung 100 Tonnen CO2 einspart, entspricht das einem Extrabudget von 11.000 Euro an diese Abteilung. Bei uns an der Uni ist das relevante Handlungsfeld hier die Mobilität. Wobei es dabei nicht nur um Klimaschutz geht, sondern auch darum wie Maßnahmen gleichzeitig gute Forschung und Lehre unterstützen. Es heißt also klug sein, so wie es sich für eine Uni gehört (lacht). Durch die Bilanzierung sieht man, welches die systemischen Emissionen sind, die top down Entscheidungen brauchen, und wo die Handlungsfelder für jeden Einzelnen liegen. Einmal im Jahr, rund um den 12. Dezember, dem Tag des Pariser Klimaabkommens, denken wir auch an einen internen „Preisverleihungstag“ um Vorzeige-Lösungen zu würdigen, sichtbar zu machen und so auch für alle anderen nutzbar.

Firmen bemühen sich zunehmend um stärkeren Klimaschutz, auch weil dieser in absehbarer Zeit zu einer Verpflichtung werden könnte. Sehen Sie da einen Schub in die richtige Richtung?

Ja, so ein Schub weg vom sogenannten „Greenwashing“ und hin zu überprüfbarem Klimaschutz ist entscheidend. Auf staatlicher Ebene muss ein Klimaschutzgesetz Treibhausgasbudget und Zielpfad vorgeben, um das Ziel, die Emissionen bis 2030 um über 55 Prozent zu reduzieren, erreichen zu können. Es geht dabei um ehrliche Gesamtrechnung und echte Einsparung, nicht um „halbseidene“ Kompensationsrechnungen oder „grüne“ Veranstaltungen, zu denen Leute aus aller Welt anreisen und die Emissionen nur ab Bahnhof oder Flughafen des Veranstaltungsortes berechnet werden.

Die immer wiederkehrende Frage: Zahlt sich das für den einzelnen aus Sicht eines Landes aus, wenn der Rest der Welt, China oder die USA, nicht mitmacht?

Die einfache und eindeutige Antwort darauf ist: Es muss nur jeder seinen fairen Beitrag leisten, nicht mehr und nicht weniger, oder andersherum gesagt: Es ist unfair und lösungsschädlich, den eigenen, angemessenen Beitrag nicht zu leisten. Carbon Management ist ein gesamthafter Lösungsansatz, der durch seine Transparenz auch das gegenseitige Vertrauen schaffen kann. Alle gemeinsam weltweit sind ja durch die Erderwärmung bedroht. Durch den eigenen angemessenen Beitrag, den wir seitens der Wissenschaft berechnen können, wird jeder Mensch, jedes Unternehmen, jedes Land Teil der Lösung statt des Problems. Alle zählen und es zahlt sich also aus Teil der Lösung zu sein!