Den Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern muss spätestens ab einer Neubesetzung eine Frau angehören. Darauf einigten sich in Deutschland CDU und SPD. Die Pläne der Koalition sehen außerdem strengere Vorgaben für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes vor.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die Einigung am Dienstag als "zumutbar und machbar", Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) forderte eine konsequente Umsetzung auch gegen Widerstände. Beide sehen einen "Meilenstein" in der Einigung. Für Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag, wiederum geht die Einigung nicht weit genug, es sei nur ein "Trippelschritt".

Frauen sind in den Vorständen deutscher Unternehmen bisher nur sehr schwach vertreten und deutlich unterrepräsentiert. Nach Zahlen der Allbright-Stiftungliegt der Frauenanteil in den Vorständen der 30 Dax-Unternehmen bei lediglich 12,8 Prozent. In den Vorständen von immerhin neun der 30 Dax-Unternehmen sitzen überhaupt keine Frauen. Kein einziger der 30 größten Konzerne erreicht einen Frauenanteil im Vorstand von 30 Prozent oder mehr.

Betrachtet man die 160 größten an der Frankfurter Börse notierten Firmen, liegt die Quote sogar bei nur zehn Prozent. Nimmt man Unternehmen, die zu hundert Prozent in Familienbesitz sind, sinkt der Prozentsatz von Frauen in den Geschäftsführungen sogar auf unter fünf Prozent. Bei Unternehmen, die sich in staatlichem Besitz befinden, sowie bei öffentlichen Verwaltungen ist die Lage teilweise noch schlechter, übrigens auch bei vielen Start-up- und Technologie-Unternehmen.

Wenige Chefinnen auch in Österreich

Auch in Österreich bleiben Chefinnen von Unternehmen die Ausnahme. Von 191 Vorständen in börsennotierten Unternehmen sind aktuell nur 14 Frauen, geht aus dem EY Mixed Leadership Barometer Österreich des Beratungsunternehmens EY hervor.

Die Zahl der Aufsichtsrätinnen steigt, doch auch hier erfüllt jedes vierte Unternehmen nicht die Quote von 30 Prozent. Seit 2018 gilt in Österreich für die Aufsichtsräte von börsennotierten und großen Unternehmen eine 30-Prozent-Quote.

Im Vergleich zum Jahresbeginn gab es in Österreich mit Stichtag 1. August 2020 in den Vorstandsrängen sogar einen leichten prozentuellen Rückgang der Frauen von 7,7 auf 7,3 Prozent - denn bei gleichbleibender Zahl weiblicher Vorstände wurden neun zusätzliche Männer in die Chefetagen aufgenommen.

Nach wie vor ist in 45 von 58 österreichischen börsennotierten Unternehmen keine Frau im Vorstand vertreten. Drei Frauen stehen als CEO ganz oben: Herta Stockbauer bei der BKS Bank, Karin Trimmel beim Kräuterlikörhersteller Gurktaler und Elisabeth Stadler bei der Vienna Insurance Group. Sechs Frauen sind Finanzvorstände.

Keine einzige Frau im Vorstand

Keine einzige Vorständin gibt es in Österreich in fünf Branchen: Automobil, Immobilien, Rohstoffe, Telekommunikation und Transport. Der ernüchternde Kommentar von Helen Pelzmann, Verantwortliche für die Initiative "Women. Fast Forward" bei EY Österreich: "Wenn die Zahl der Frauen weiter im Tempo der letzten Jahre von unter einem Prozentpunkt steigt, wird es bis zum Jahr 2073 dauern, bis in den Vorstandsgremien 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer sitzen." 

Hingegen steigt - auch dank der Quote - der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien: Seit Jahresbeginn ist in den Aufsichtsräten der österreichischen WBI-Unternehmen (Wiener Börse Index) die Anzahl der Frauen von 26,2 auf 27,2 Prozent gestiegen. In den Aufsichtsgremien sind 145 Frauen (27,2 Prozent) und 389 Männer (72,8 Prozent) vertreten.

Der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder ist damit bereits das siebente Halbjahr in Folge gestiegen. Seitdem mit 1. Jänner 2018 die gesetzliche Genderquote von 30 Prozent in Kraft getreten ist, erhöhte sich der Frauenanteil in den Kontrollgremien deutlich von 18,8 auf 27,2 Prozent.

Tradition statt Wandel

Als Ursache sieht Pelzmann die Scheu in den Unternehmen vor einem Veränderungsprozess in den obersten Leitungsfunktionen. Damit würde aber auch die hohe Symbolkraft weiblicher Führungskräfte verkannt, so Pelzmann. "Keine Frauen in den Vorstandsetagen sind ein starkes Indiz, dass es sehr wohl Aufstiegshindernisse gibt und Tradition anstatt Wandel, Aufbruch und Fortschritt gelebt wird."

Die Corona-Pandemie habe zu einer verstärkten Rückkehr traditioneller und überholter Geschlechterstereotypen geführt. Um Haushalt und Homeschooling haben sich vermehrt die Frauen in der Familie gekümmert, auch weil sie öfter in Teilzeitstellen arbeiten. "Hier sind die Unternehmen gefordert, durch ein flexibles Arbeitsumfeld und die Möglichkeit, von Zuhause zu arbeiten, eine gute Grundlage zu schaffen, um beiden Geschlechtern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern und dadurch die Gleichstellung der Frauen voranzutreiben", erklärt Pelzmann.

Auch der jüngste Bericht der deutschen Allbright-Stiftung hält fest: "Bei den deutschen Börsenunternehmen lassen sich im Krisenjahr zwei Mechanismen beobachten: eine Ver­kleinerung der Vorstände und der Rückgriff auf Gewohn­tes, Vertrautes, »Altbewährtes«: Man setzt auf Männer."