Den Anteil an Zuschüssen im 750 Milliarden Euro schuldenfinanzierten Aufbaufonds sehen die EU-Abgeordneten als zu gering an und fordern Nachbesserungen, wie aus einem der APA vorliegenden Resolutionsentwurf für das Sonderplenum am Donnerstag hervorgeht. Dieser wird von der Europäische Volkspartei (EVP), den Sozialdemokraten, der liberalen Fraktion Renew Europa, den Grünen und Linken mitgetragen. Sie fordern den Europäischen Rat auf, umgehend mit dem EU-Parlament in Verhandlungen zu treten. Die für eine Umsetzung notwendige Zustimmung des europäischen Abgeordnetenhauses zu dem EU-Wiederaufbauplan hängt demnach auch noch vom Entgegenkommen des Rates bei den EU-Eigenmitteln, der Einführung eines Rechtsstaatlichkeitsmechanismus' und Investmentzusagen in Zukunftsbereichen wie Klima, Digitalisierung, Gesundheit und Forschung ab.

Die vorgeschlagene Kürzung des nächsten EU-Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 in den Bereichen Gesundheit und Forschung wird in dem Resolutionsentwurf angesichts der globalen Coronapandemie als "gefährlich" bezeichnet. Des weiteren bestehen die EU-Abgeordneten auf eine Reform der eigenen Finanzierungsquellen der EU, die neben einer Plastikabgabe, Einnahmen aus dem Emissionshandel, CO2-Zölle, eine Digitalsteuer, eine Finanztransaktionssteuer und eine Unternehmenssteuer umfassen sollen, um die gemeinsam aufgenommenen Schulden für den Aufbaufonds zurückzuzahlen und höhere nationale EU-Mitgliedsbeiträge zu verhindern.

Zudem bedauern die EU-Abgeordneten die schwache Einigung beim Thema Rechtsstaatlichkeit. Sie fordern den Rat auf, den Vorschlag für eine Rechtsstaatskonditionalität - das heißt der Bindung der Vergabe von EU-Geldern an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit - nicht weiter zu blockieren.

Die EU-Abgeordneten unterbrechen für das Sonderplenum zum insgesamt 1,8 Milliarden Euro schweren EU-Konjunkturpaket ihre Sommerpause. Die Europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich auf einen Wiederaufbauplan zur Bewältigung der Coronakrise am Montagmorgen nach mehr als 91-stündigen Verhandlungen geeinigt. Dieser umfasst ein 1.074 Milliarden Euro schweres EU-Budget sowie die Aufnahme von 750 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt für den "Next Generation EU" genannten Aufbaufonds.

390 Milliarden Euro sollen davon als nicht-rückzahlbare Zuschüsse an die besonders schwer von der Krise getroffenen EU-Länder vergeben werden, die restlichen 360 Milliarden Euro als Kredite. Die EU-Kommission hatte ursprünglich 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden Euro als Kredite vorgesehen. Die "Sparsamen Vier" Nettozahler-Länder Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande sowie Finnland setzten sich vehement für die Kürzung der Zuschüsse ein.

Kritik des Parlamentspräsidenten

EU-Parlamentspräsident David Sassoli kritisierte die geplanten Kürzungen im nächsten EU-Budget für Forschung und das Förderprogramm Erasmus im Vergleich zum Vorschlag der EU-Kommission. "Wir können das Budget für Forschung und junge Menschen und Erasmus nicht kürzen, das können wir nicht", sagte Sassoli am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Brüssel.

"Es liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, aber wir würden diesen gerne verbessern - vor allem, indem wir versuchen, Antworten auf einige der Kürzungen zu geben, die wir für ungerechtfertigt gehalten haben", sagte Sassoli. Verhandlungen über das langfristige Budget seien notwendig, bevor das Parlament es genehmigen könne. Er wolle zudem Klarheit darüber haben, inwieweit die Auszahlung von EU-Geldern aus dem Budget an die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit gekoppelt wird. "Wir müssen genau sehen, mit welchen Interventionsmaßnahmen dies unterstützt werden soll", sagte Sassoli. "Wir können eine Reduzierung unserer Erwartungen an gemeinsame Werte nicht unterstützen".

Kritik von Global2000

Am Mittwoch äußerte auch die Umweltschutzorganisation Global2000 Kritik an dem Resultat des Verhandlungsmarathons. "Nachhaltige Rettungspakete" sehen laut Global2000-Geschäftsführerin Agnes Zauner "deutlich anders aus". Für den Klimaschutz sei das Ergebnis ein "trauriges Zeichen": "Keine ultraschnellen Bahnverbindungen innerhalb Europas, weniger Geld für den Kohleausstieg, Kürzungen bei der Forschung, keine Hilfen für den Ausstieg aus dem Heizen mit Erdöl. Subventionen für fossile klimaschädliche Strukturen werden gar verlängert", hieß es am Mittwoch in einer Aussendung.

Global2000 fordert, dass mindestens 50 Prozent des EU-Budgets und des Aufbaufonds sowohl dem Klima als auch der Umwelt zugutekommen - und zwar auf Basis verbindlicher und wirksam kontrollierter Kriterien. Nach dem vorliegenden Vorschlag müssen 30 Prozent dem Klima dienen.

Gemischte Reaktionen aus Österreich

Bereits am Dienstag hatten die österreichischen Europaparlamentarier das Gipfelergebnis gemischt kommentiert. ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig lobte die Rabatte als "gerechtfertigtes Zugeständnis an Österreich", während sich ihr Kollege Othmar Karas enttäuscht zeigte. "Das reicht einfach nicht", schrieb SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder. Die Grüne Abgeordnete Monika Vana beklagte ebenfalls, dass der Rat "weit hinter den Forderungen des Europaparlaments" zurückbleibe.

NEOS-Mandatarin Claudia Gamon kritisierte, dass die Kürzungen in Zukunftsbereichen allen Menschen in Europa schadeten. FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky sagte, dass die von den "Sparsamen Vier" erreichten Kürzungen "nur Kosmetik" seien und der österreichische EU-Beitrag von derzeit 2,9 Milliarden Euro jährlich auf "angeblich 5,4 Milliarden" ansteigen könnte.