Die „Spaltung der Gesellschaft“ – ein Befund,so allgegenwärtig, dass er mittlerweile wie ein Gemeinplatz wirkt. Seit die Pandemie die Risse und Gräben quer durch Familien verlaufen lässt, hat sich der Eindruck, dass Gegensätze und Dissens unser Leben bestimmen, noch einmal verstärkt. Die Gegenwart in den Industrienationen ist von sich verschärfenden Antagonismen geprägt. Das Gefühl für das Allgemeingültige, für das verbindliche (und verbindende) Gemeinsame scheint zu erodieren, die Verständigung über ideologische und lebensweltliche Grenzen hinweg fällt immer schwerer. Als Beleg dürfen die USA gelten, wo das Lagerdenken die politische Kultur bereits so verheert hat, dass sogar sozusagen neutrale demokratische Prozesse wie Wahlen nicht mehr ungeteilt anerkannt werden. In Europa sollte man gescheiter sein, gerade in Österreich. Vor knapp 100 Jahren haben sich hierzulande Alltagskultur und öffentliches Leben zur Gänze in zwei verfeindete Lager (samt paramilitärischer Gruppen) getrennt. Eine Separierung, die letztlich in einen Bürgerkrieg mündete und das Land moralisch-politisch so schwächte, dass es zum willfährigen Opfer für den Nationalsozialismus wurde. Das sollte Warnung genug sein vor den Gefahren, denen sich eine Gesellschaft aussetzt, wenn sie sich nicht länger um Konsens und inklusives Denken sorgt.