Als Umweltpsychologin ist Isabella Uhl-Hädicke in der Universitätslandschaft Österreichs ein Unikum. An der Universität Salzburg forscht, lehrt und gestaltet sie ein entsprechendes Fachmodul. Hat sich ihre Fachrichtung ursprünglich mit den Auswirkungen der Natur auf den Menschen befasst, liegt der Fokus mittlerweile darauf, wie der Mensch auf die Natur wirkt, welche Motive und Einflüsse welches Verhalten zur Folge haben. Diese Forschungsarbeit hat exponentiell zugenommen. Nicht nur, aber auch wegen Greta Thunberg.

Ist es für Wissenschaftler nicht frustrierend: Da warnt man ein Vierteljahrhundert mit Studien vor dem Klimawandel, seit 25 Jahren ist es fünf Minuten vor zwölf. Aber niemand reagiert, es passiert nichts. Und dann kommt ein kleines Mädchen, setzt sich auf einen Platz in Stockholm, sagt, dass sie nicht weggeht, solange sich nichts ändert, und plötzlich bekommt es eine Eigendynamik, die zu einer globalen Bewegung wächst. Was hat die Wissenschaft da falsch gemacht?
Isabella Uhl-Hädicke: Man hat zu abstrakt, zu wenig greifbar kommuniziert. Man hat beispielsweise jahrelang über den Eisbären kommuniziert, den man vielleicht süß findet, der aber wenig Relevanz, wenig greifbaren Bezug zu unserem Alltag in Österreich entwickelt. Oder man spricht über Tonnen CO2, man spricht von 1,5 Grad Klimaerwärmung. Das alles ist schwer greifbar. Man muss einen stärkeren Konnex zur Lebensrealität der Personen herstellen und aufzeigen, warum es eben wichtig ist, in Österreich zu handeln. Es geht nicht nur darum, den Eisbären zu schützen oder die Menschen in Bangladesch, sondern auch darum, unsere eigene Heimat zu erhalten.

Aber es überwiegt der Eindruck, man habe es überhaupt nur noch mit Krisenmodus, Untergangsszenarien und Katastrophenstimmung bis hin zur Panikmache zu tun. Braucht es diese Zuspitzung?
Wenn man sich die reinen, trockenen Fakten anschaut, dann bleibt einem eigentlich nichts anderes übrig als Panik.

Was bewirkt das im Verhalten?
Die Forschung zeigt, dass wir Menschen unter Panik kurzfristig ganz gut funktionieren, aber langfristig nicht, sondern dass sie uns eher hemmt. Dieses Wachrütteln durch Bedrohung führt dazu, dass der Großteil der Personen entweder überhaupt keine höhere Bereitschaft hat, zu handeln. Oder sogar eine geringere.

Weil?
Weil gerade der Klimawandel überfordernd wirkt und auf so vielen Ebenen das Potenzial hat, ein Ohnmachtsgefühl auszulösen. Da denkt man sich leicht: Wenn ich jetzt mein Verhalten ändere, dann heißt das ja nicht, dass das irgendeinen Einfluss hat. Es bräuchte eine größere Gruppe, am besten die ganze Weltgemeinschaft, die ihr Verhalten ändert. Man braucht ein Selbstwirksamkeitserlebnis, also das Gefühl, dass die eigenen Handlungen etwas bewirken und einen Unterschied bringen. Viele Menschen flüchten stattdessen in symbolische Verhaltensweisen, die überhaupt keinen Zusammenhang mit der Bedrohungsquelle haben.

Welche zum Beispiel?
Sie nehmen ihre eigene Gruppe als positiver wahr und umgekehrt andere Gruppen verzerrt negativer. Menschen, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen, werden plötzlich schärfer bestraft, die eigene Weltanschauung stärker verteidigt. Man wird ethnozentrischer und xenophober.

Wie lässt sich das erklären?
Dinge wie unsere Werteinstellung, unsere Gruppenzugehörigkeit, unsere Weltanschauung sind Dinge, die uns Kontrolle geben. Wenn man sich nach einer Bedrohung – die einen extremen Kontrollverlust darstellt – darauf fokussiert, gibt das zwar Sicherheit, aber ändert an der Bedrohung selbst nichts.

Wie erklären Sie das Phänomen Greta Thunberg?
Es funktioniert, weil sie die volle Legitimität hat, diese Rolle einzunehmen, weil es einfach um ihre Zukunft geht. Sie gibt den Menschen, die in der vorhin angesprochenen Ohnmächtigkeit waren, Hoffnung, dass man doch gehört wird und kollektive Wirksamkeit erlebt, dass man in der Gruppe etwas bewegen kann.

Dass sich im Fall von Fridays for Future eine Gegenfront formiert: Ist das psychologisch erklärbar?
Greta macht Anschuldigungen und stellt Forderungen auf. Wenn man mit derartigen Anschuldigungen konfrontiert wird, haben wir verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen. Man kann sein Verhalten ändern – was aber aufwendiger ist, als wenn ich die Quelle, aus der die negativen Nachrichten kommen, abwerte. Indem ich Greta abwerte, nehme ich ihr die Legitimation, eine derartige Anschuldigung in den Raum zu stellen. Das hilft mir, in meinem Alltag einfach weiterzumachen.

Würden Strafzahlungen als Druckinstrument für eine Verhaltensänderung wirken?
Das ist ein Punkt, warum es die Politik braucht: Wir Menschen steuern unser Verhalten aufgrund der Konsequenzen, die wir durch unser Verhalten erleben. Aktuell ist es eher so, dass man für umweltschädigendes Verhalten positive Konsequenzen erlebt: Das Zugfahren ist teurer als das Fliegen, Bio teurer als konventionelle Produkte. Da hat die Politik eine große Verantwortung, dass sie dieses Verhalten umsteuert. Umweltfreundliches Tun ist kein grünes Öko-Ding, sondern es braucht Verantwortung auf allen Ebenen und man darf sich nicht auf die Politik ausreden.

Fehlt eine gewisse Lobkultur?
Wahrscheinlich. Wir sind schon sehr gut darin, andere zu kritisieren.