Auf einer digitalen Landkarte ist die Frage nach dem Wir viel komplexer. Wir sind Teil von 4,3 Milliarden Menschen, die ans Internet angeschlossen sind. Wir sind Teil von 2,34 Milliarden Menschen, die ein Mal im Monat Facebook nützen. Wir sind Teil eines digitalen Netzwerkes, in dem es mittlerweile mehr Menschen aus Nigeria gibt, als aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zusammen.


Die Fragen nach dem Wir und der Abgrenzung, mit denen wir in der realen Welt umgehen können, spielen in der digitalen Welt keine oder kaum eine Rolle. Das Wir im digitalen Raum ist eine wesentlich heterogenere, zersplittertere und dynamischere Welt. Dort sind wir im Moment Suchende. Das Wir-Suchende. Das ist vielleicht das, was uns am stärksten verbindet.

Im Konsum Weltklasse


Wir Österreicher gehören zu den besten Konsumenten der digitalen Revolution. Wir sind gut im Smartphone-Kaufen, aber wenn es darum geht, diese Dinge auch einzusetzen und selbst bestimmt damit umzugehen, sind wir keine Weltmeister. Im Nutzen der Digitalisierung sind wir weit fortgeschritten, aber in der Masse sind wir eine sehr analog denkende Gemeinschaft. Da haben wir Nachholbedarf.


Wenn wir im Wettbewerb, der zunehmend ein globaler Wettbewerb ist, bestehen wollen, brauchen wir eigenständige Kompetenzen, diese digitale Technologie einzusetzen und weiterzudenken. Wir können nicht wie Kinder diese digitalen Möglichkeiten nutzen und uns gar nicht bewusst sein, was alles vor sich geht und was mit unseren Daten passiert. Und währenddessen wir noch darum ringen, ob wir Handys während des Unterrichts wegsperren sollen oder doch schon in der Volksschule Programmieren anbieten, geht mit Machine Learning und Künstlicher Intelligenzanwendung die nächste Lawine los.

Wir brauchen vor allem ein Bewusstsein dafür, dass das Digitale eine Bildungsaufgabe ist und es nicht um einen Wettstreit des Alten gegen das Neue geht, sondern darum, das Neue in unsere Welt zu integrieren.
Ein Beispiel: Vor der Schule nehmen wir unseren Kindern das Handy weg und nach der Schule geben wir es ihnen wieder und es ist uns völlig egal, was sie dann damit machen. Das ist ein Zeichen für fehlende Kompetenz. Die digitalen Tools haben enormes Potenzial für uns als Einzelne, die Gemeinschaft und die Zivilgesellschaft. Etwas, das unser Leben so sehr bestimmt, kann nicht unreguliert den freien Kräften und dem Gestaltungswillen Einzelner überlassen werden. Das hat es seit dem Wilden Westen nicht mehr gegeben. Wir müssen verstehen, dass die Technologie ein Teil der menschlichen Natur und Genialität ist.


Wir reden immer über den Verlust der Privatsphäre und übersehen, dass wir um unsere Öffentlichkeit betrogen werden. Öffentlichkeit ist Meinungsbildung. Die Art und Weise, wie diese gebildet wird, basiert nicht mehr auf dem Konsens, der sich aus dem Dialog einer Gesellschaft entwickelt. Die Politik muss den Regulierungsbedarf erkennen und auf einer demokratischen Basis Spielregeln einführen.