Tägliche Fallzahlenberichte, gefüllte Krankenhäuser, Schulschließungen - mit Corona verbindet man viele unangenehme Bilder. Mit der Botschaft, dass Pandemien das Land auch auf positive Weise verändern können, will Historikerin Daniela Angetter-Pfeiffer jedoch Hoffnung machen. In ihrem neuen Buch "Pandemie sei Dank!" beschreibt sie historische Pandemien und Maßnahmen in Österreich, die heute allzu vertraut wirken. Es erscheint am 20. September im Amalthea-Verlag.

Der "Liebe Augustin" überlebte bekanntlich den Fall in die Pestgrube. Viele andere, so erfährt man am Beginn des Buches, mussten nicht in eine Grube fallen, um an der Pandemie zu sterben: Rund die Hälfte der Bevölkerung Wiens und Niederösterreichs wurde bereits in den Anfängen der Pest, die hier ab 1349 wütete und später immer wieder nach Österreich zurückkehrte, Opfer der Seuche. Neben heute seltsam anmutenden Gegenmitteln wie dem Tabakrauchen und dem Aderlass ist uns eine Pest-Maßnahme wieder vertraut: "Schon im 14. Jahrhundert war den Menschen bewusst, dass Quarantäne die wichtigste Maßnahme war, um die Epidemie einzudämmen."

Über den Einfallsreichtum der damaligen Zeit zeigt sich Angetter-Pfeiffer überrascht: "Man würde vom Mittelalter und der frühen Neuzeit eigentlich nicht erwarten, dass es damals schon so fortschrittliche Gedanken gab. Zum Beispiel, dass Gasthäuser zur Zeit der Pest Straßen- und Ab-Hof-Verkäufe gemacht haben. Das waren die Anfänge von 'To-Go'."

Viele Parallelen 

Was außerdem immer wieder verwundert: Die Ähnlichkeiten zur Corona-Pandemie, die Angetter-Pfeiffer in ihrem Buch auch immer wieder hervorhebt, enden nicht. Egal, welche Pandemie gerade grassierte - die Erzählungen reichen von der Pest im Mittelalter über Tuberkulose und Cholera in der Neuzeit bis hin zur Spanischen Grippe sowie Maul- und Klauenseuche im 20. Jahrhundert -, die Maßnahmen sind bekannt. Zur Zeit der Tuberkulose wurden die Menschen zur Händehygiene aufgefordert, bei der Spanischen Grippe kam es zum Lockdown, Fußballspiele fanden bereits damals ohne Zuschauer statt. Dass die heutige Zeit mit ihren Schutzmasken, ihrem Social Distancing und ihrer Quarantäne gar nichts Abnormales oder gar Neues ist, führt "Pandemie sei Dank!" immer wieder deutlich vor Augen.

Im 18. Jahrhundert entstand im Habsburgerreich mit dem Seuchenkordon ein Netz von Quarantänestationen, um Einreisende an der Einschleppung von Seuchen zu hindern. Einer der - laut Autorin - größten Unterschiede zu heute: Reisende aus dem Osmanischen Reich mussten sich direkt an der Grenze in Quarantäne begeben. Ein weiterer, drastischer Unterschied findet sich im Buch: "Die Missachtung jeglicher Quarantänevorschriften wurde mit sofortiger Todesstrafe geahndet, wer illegal die Grenze überschritt, wurde erschossen."

Auch der Wunsch nach einer Impfung ist nicht neu; schon Maria Theresia machte sich für Impfungen gegen die Pocken stark. Ein hochaktueller Aspekt, den das Buch nicht außer Acht lässt, sind die Impfgegner, die seit jeher zur Impfung zu gehören scheinen. Unter ihnen befand sich sogar Immanuel Kant: "Als die Kuhpockenimpfung in Europa durchgeführt wurde, vertrat er die Meinung, dass den Menschen mit dem Serum aus den Kuhpocken auch die tierische Brutalität eingeimpft werde", ist im Buch zu lesen.

Verschwörungstheorien griffen um sich, die Spanische Grippe sei beispielsweise durch das Impfen verursacht worden. Solche Theorien wurden früher durch Mundpropaganda, in Vereinen und Versammlungen verbreitet. Heute gehe es durch Social Media und die Medienberichterstattung, in der sich Impfgegner als solche deklarieren, viel schneller, meint die Wissenschafterin von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Pandemie als Chance

Die Autorin wurde in den letzten Monaten immer wieder von Medien zum Thema Pandemiegeschichte interviewt und machte sich auch deshalb bewusst, dass Geschichte viel zum Verständnis der derzeitigen Situation beitragen kann. "Ich wünsche mir, dass Leser sehen, dass Pandemien Positives bewirken können", so Angetter-Pfeiffer. Im Buch wird denn auch klar, dass das in der Vergangenheit oft der Fall war. Die Bekämpfung von Cholera und Typhus setzte den Bau der ersten Wiener Hochquellenwasserleitung, die der Tuberkulose den Bau von Bädern in Gang. Um Tuberkulose in Schach zu halten, suchte man auch die katastrophalen Wohnverhältnisse zu verbessern, denn: "Noch 1937 hatten 75 Prozent der Tuberkuloseerkrankten keinen eigenen Schlafraum und elf Prozent nicht einmal ein eigenes Bett."

Was könnte nach der Corona-Pandemie Positives bleiben? Angetter-Pfeiffer denkt an Homeoffice und Homeschooling, wo Kinder lernen könnten, vieles selbst zu organisieren. Auch Solidarität lebe in Pandemiezeiten immer wieder auf - schon zu Zeiten der Maul- und Klauenseuche ging man für betroffene Bauern einkaufen. Am Ende will das Buch mit seinen Beschreibungen überstandener Pandemien und deren positiven Seiten Hoffnung machen. Mit dieser ganz und gar nicht unrealistischen Sichtweise sticht es aus der Vielzahl an Publikationen rund um Seuchen heraus. Auch, wenn die negativen Aspekte der Pandemie also überwiegen: Es muss nicht alles schlecht sein.