Der Lockdown ist höllisch, weil wir Eingesperrten die Komplizen unserer eigenen Peinigung sind. Wie in Sartres Drama stehen wir uns erneut als Peiniger und Opfer gegenüber. Die Gesellschaft hat übertrieben. Die anderen waren zu undiszipliniert. Die Hölle, das sind die anderen, die den zweiten Lockdown verschuldet haben. Die Hölle, das sind aber auch die Politiker, ohne die es keinen zweiten Lockdown gäbe. Vielleicht ist die Hölle aber einfach nur die blanke Existenz dieses Virus.

Denn dieses Virus funktioniert wie nichts, was wir aus unserem alten Leben kennen. Weder lässt es sich von Politikern mittels starker Willensbekundungen („Schulen um jeden Preis offen lassen!“) oder durch Verteufelungen („Dieses Virus ist listig!“) instrumentalisieren, noch belohnt es die, die sich brav an die verordneten Maßnahmen gehalten haben.

Das wahrhaft Höllische an dieser Seuche ist aber, dass wir ihr nichts Menschliches entgegensetzen können. Versuchten wir, es im Sommer zu ignorieren, machte dieses Virus das Einzige, was es kann: Es breitet sich weiter ungehindert aus.

Um nun unser bloßes Leben zu schützen, müssen wir paradoxerweise auf all die Dinge verzichten, die unser Leben überhaupt erst lebenswert machen: nämlich auf die anderen. Stattdessen gilt er wieder, der Imperativ des Distanzhaltens.

Dagegen aufzubegehren, ist menschlich, allzu menschlich. Zweifelsohne ist die Pandemie nicht nur eine individuelle, sondern auch eine demokratiepolitische Zumutung. Dem „Du sollst …!“ des „virologischen Quartetts“ (Kurz, Nehammer, Kogler und Anschober) aber ein trotziges „Und wenn nicht?“ entgegenzusetzen, wird das Wachstum des Virus erfahrungsgemäß nicht bremsen.

Das Virus lässt sich jedenfalls nicht abwählen. Es scheint, dass uns derzeit nur eine einzige Entscheidung freisteht. Die, auch in diesem
Lockdown, das Richtige zu tun, selbst wenn es
die Regierung empfohlen hat.

© APA/Georg Hochmuth

Lisz Hirn ist Philosophin und Autorin in Wien.