Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) hat am Samstag in einer Pressekonferenz gemeinsam mit Volleyball-Zampano Peter Kleinmann die Bundesregierung für ihre aktuelle Politik in Sachen Sport hart kritisiert. Auch der am Samstag von Bildungsminister Heinz Fassmann avisierte Turn-Unterricht auf freiwilliger Basis am Nachmittag fand wenig Anklang, unisono wurde erneut die tägliche Turnstunde gefordert.

Zudem wiederholte auch SPÖ-Sportsprecher Maximilian Köllner die Kritik am 700 Mio.-Fonds für Non-Profi-Organisationen aus Sport, Kultur und anderen Bereichen. "Wir wissen nicht wie die Auszahlungskriterien aussehen werden, wie wird der Topf aufgeteilt. Hier droht Streit, es ist ein Ausspielen der Bereiche gegeneinander", so Köllner.

Stimme für den Sport

Die ehemalige Gesundheitsministerin und Ärztin Rendi-Wagner wolle mithelfen, dem Sport eine Stimme zu geben. "Weil der Sport ist durch Corona in große Schwierigkeiten gekommen." Nach einer "turbulenten" Parlamentswoche fehle nach wie vor ein Hilfspaket für den Sport. Ein Budget sei, "eine in Zahlen gegossene Politik. "Es gibt keine aktive und spürbare Sportpolitik dieser Bundesregierung", kritisierte Rendi-Wagner.

In den am Vortag von der Bundesregierung kommunizierten Lockerungen seien keine weiteren Lockerungen für den Sport, den Nachwuchsbereich oder Mannschaftssportarten zu sehen. "Die Missachtung des Sports sollte beendet werden, Österreich muss wieder in Bewegung kommen", forderte die SPÖ-Bundesparteivorsitzende. Nach der guten Entwicklung der Infektionszahlen müsse man das Thema Gesundheit bis zum Ende denken. "Sport und Bewegung ist Gesundheit und wesentlicher Teil des Gesundbleibens und Werdens." Man dürfe Gesundheit nicht nur auf epidemiologische und virologische Parameter reduzieren. Etwa ein Viertel der österreichischen Schüler sei adipös.

Bewegungsmangel

Die Coronakrise habe die Problematik des Bewegungsmangels verschärft. Rendi-Wagner verwies auch auf die Sportvereine, die dringend auf Hilfe warten. "Österreich kann es sich nicht leisten, einen einzigen Sportverein zu verlieren. Über 2 Millionen Österreicher sind derzeit in Sportvereinen. Das ist weit mehr als nur eine Gesundheitsfaktor, sondern auch ein Gesellschaftsfaktor." Zudem erwirtschafte der Sport jährlich eine Wertschöpfung von 18 Mrd. Euro und schaffe 300.000 Arbeitsplätze.

Daher appelliert Rendi-Wagner für die bereits vergangenen Sommer einstimmig im Parlament beschlossenen Einführung der täglichen Turnstunde sowie ein klar für den Sport definiertes Hilfspaket in Höhe von mindestens 100 Mio. Euro.

Kampf für mehr Schulsport

Der ehemalige ÖVV-Präsident Peter Kleinmann kämpft seit Jahren für mehr Sport in der Schule. Zu den aktuellen Entwicklungen meinte der Wiener: "Das ist für mich gesetzlich vorgeschriebene Körperverletzung." Den am Samstag verkündeten Turnunterricht am Nachmittag auf freiwilliger Basis bezeichnete Kleinmann als "Schildbürgerstreich". Es sei erwiesen, dass man bei morgendlicher Bewegung am ganzen Tag leistungsfähiger sei und einen klaren Kopf habe. "Was geht in diesen Köpfen der Entscheider vor?", fragte Kleinmann.

Die Übertragung der Verantwortung auf die Eltern sei der falsche Ansatz. "Eltern sollen motivieren. Zur Ausbildung gibt es ausgebildete Experten in den Schulen. "Warum ist die Bewegung soviel weniger wert wie Lesen, Schreiben, Rechnen?"

Aus Innsbruck zugeschaltet war auch Skisprung-Ass Daniela Iraschko-Stolz. "Sport ist eines der wichtigsten Unterrichtsfächer, wenn nicht sogar das Wichtigste. Man muss sich bewegen." Sie wünschte sich, das die Politik das Positive des großen Zusammenhalts in Österreich mitnehme und zusammenrücke. "Viel wichtiger wird immer der Breitensport sein, das ist er auch für unser Gesundheitssystem", brach Iraschko-Stolz eine Lanze.

Die Ankündigung Fassmanns, freiwilligen Turnunterricht ab 15.6. zuzulassen, bezeichnete Sport Austria als "halbherziges" Zurücknehmen einer falschen Entscheidung. "Würde man sich im Bildungsministerium intensiv mit Sport und Bewegung auseinandersetzen, müsste eigentlich klar sein, dass eine altersadäquate polysportive Ausführung von Bewegung auf den Sportplätzen im Freien sehr einfach möglich ist", erklärte Sport-Austria-Präsident Hans Niessl in einer Aussendung.

Der Sportunterricht hätte unter Wahrung aller Vorsichtsmaßnahmen von Beginn der Krise an durchgeführt werden können. "Unverständlich ist auch die Tatsache, dass das Bildungsministerium in einer Zeit der Gesundheitskrise, die vorbildliche Aktion 'Kinder gesund bewegen' ausgesperrt hat. Gerade tägliche Bewegung im Freien trägt dazu bei, das Immunsystem zu stärken", erklärte Niessl. Zudem forderte der Sportfunktionär eine Öffnung der Schulsportstätten für Sportvereine. Diese sollten auch im Sommer nicht neun Wochen geschlossen sein.