In Kärnten wird eine schwangere Frau in der Badewanne getötet, ein Mann deponiert eine Paketbombe vor der Haus seiner Ex-Frau, nun hat am Sonntag ein 25-jähriger Mann in Kitzbühel seine Ex-Freundin, deren Familie und ihren neuen Freund getötet. Warum tendieren Männer dazu, Konflikte mit tödlicher Gewalt zu lösen?
MICHAEL LEHOFER: Man muss hier einmal mit der Kränkung beginnen. Kränkung passiert, wenn ein wesentliches Stück der eigenen Identität quasi verloren geht. In so einem Fall bedeutet das für denjenigen: Ich kann ohne dich nicht leben. Schließlich sieht man dann die Schuld dafür beim anderen, weil er vermeintlich für den Verlust verantwortlich ist. In Folge kann es zu einer Hassspirale in der Persönlichkeit kommen. Derjenige sagt dann: Wenn ich nicht mehr leben kann, wenn du mir quasi das Leben genommen hast, dann nehme ich dir auch das Leben. Hier muss man aber auch wissen, was Hass ist. Hass ist ein Gefühl, jemanden anderen weit weg haben zu wollen. Sympathie ist das Gefühl, jemanden nahe sein zu wollen. Und Hass ist der Exzess von Antipathie. Man will jemanden in der denkbar größten Entfernung haben und die ist, wenn der andere nicht mehr lebt.

Warum gipfeln diese Gefühle bei Männern so oft in dieser ultimativen Hassspirale?
Frustrierte junge Männer haben ein besonderes Gewaltpotenzial. Es gibt Untersuchungen, die besagen, dass das Hauptkriterium, warum es Genozide gibt, ein bestimmter Prozentsatz von frustrierten jungen Männern in einer Gesellschaft ist. Warum das in den vergangenen beiden Jahren nun scheinbar so ansteigt, kann man zum jetzigen Zeitpunkt schwer beurteilen: Ob das nun zufällig ist oder auf der Grundlage einer gesellschaftspolitischen Wende passiert.

Michael Lehofer
Michael Lehofer © Jürgen Fuchs


Bei Beziehungstaten ist oftmals Eifersucht der Auslöser. Wie entsteht sie und warum empfinden wir sie?
Die Eifersucht ist die Angst, jemanden den man unbedingt braucht, zu verlieren. Es ist eine Angst vor Besitzverlust. Und diese Angst führt leicht zum Terror, weil sie zu einer fixen Idee werden kann. Eifersucht als Gefühl darf ja durchaus sein, ist wie jedes Gefühl wertfrei zu betrachten. Die Konsequenz der Eifersucht ist allerdings leider sehr häufig ein übergriffiges, respektloses Verhalten bis hin zur Katastrophe.

Empfindet jeder Eifersucht?
Wie gesagt, eine gewisse Eifersucht ist keinesfalls pathologisch. Wer verliert schon gerne jemanden, den er liebt? Aber dann gibt es die Eifersucht, die grundlos ist, wo pathologische Angst diese Eifersucht hervorruft. Man muss hier differenzieren. Auch die Konsequenzen der Eifersucht kann man in pathologisch und normal klassifizieren. Wenn jemand Grund zur Eifersucht hat, weil er zurecht vermutet, dass der Partner ihn betrügt, dann ist das normal. Aber, wenn derjenige dann gewaltbereit wird, ist es sehr sehr problematisch.
Kann man sie vermeiden?
Die Eifersucht als solche, wenn man dazu neigt, wird schwer vermeidbar sein. Aber man sollte die Disziplin aufbringen, das mit sich selbst auszutragen und nicht dem anderen überzustülpen. Wie bei jeder Angst. Und schließlich sollte sich jeder Mensch hinter die Ohren schreiben, dass er auf das Ja seiner Mitmenschen kein Anrecht hat, wo und wann auch immer.

Solche Gewalttaten passieren immer wieder im Rahmen von Trennungen. Wie kann man sich trennen, ohne einander zusätzlich zu verletzen?
Wenn man sich trennt, sagt man Nein zum anderen. Und dieses Nein sollte nicht beschämend sein. Man sollte vermeiden, wenn man Nein zum anderen sagt, zu ihm als Person Nein zu sagen. Das beste Nein ist, wenn man zum Ausdruck bringt: Ich trenne mich von dir, weil ich Ja zu mir sage und dieses Ja ist nicht zusammenpassend mit einer Beziehung zu dir. Aber das bedeutet nicht, dass du als Person nicht in Ordnung bist. Viele stoßen sich vom anderen ab, indem sie ihn auch noch beschämen, um ihre eigenen Schuldgefühle zu minimieren. Das ist dann eine doppelte Verletzung für den Verlassenen.

Gibt es Alarmzeichen, auf die man achten sollte?
Normalerweise ist es so, dass schon während der Beziehung klar wird, ob ein Mann die Frau, oder umgekehrt, als Besitztum erlebt. Vor allem Frauen schauen dann aus verschiedenen Gründen sehr lange zu – zu lange! Man sollte beim ersten Anzeichen dessen, dass ein Mann eine Frau als Besitz missversteht, sofort, frühzeitig Grenzen ziehen und nicht zuschauen, bis sich das in der Beziehung einspielt. Es gibt ja viele Männer, die Dinge sagen wie: ,Da gehst du nicht hin’ oder ,Das ziehst du nicht an’. Es gibt vorher schon viele scheinbar kleine, scheinbar bedeutungslose Übergriffe.

Zu den jungen gewaltbereiten Männern: Wo müsste man hier ansetzen, um diese Dynamik zu bremsen?
Das bezieht sich jetzt eher auf einen gesellschaftspolitischen Aspekt als auf einen individuellen. Gewaltbereite, junge Männer nicht mit Arbeit, Auslastung und mit Hingebung zu versorgen, ist ein Risiko. Diese jungen Männer muss man mit Sinn und Aufgaben versehen, wo sie sich finden und verwirklichen können, wo die Energie hingehen kann, damit sie nicht zur destruktiven Energie wird.